Als BMW 2007 plötzlich mit einem neuen Wettbewerbs-Motorrad die Offroad-Welt betrat, waren darin viele technische Lösungen, die revolutionär wirkten: Da war der „rückwärts" drehende 450er Motor, dessen Kupplung auf der Kurbelwelle saß. Und da war ein Fahrwerkskonzept, das im Fahrbetrieb Lastwechsel am Hinterrad minimierte, weil sich die Kettenspannung nicht verändern konnte, da das Ritzel direkt auf dem Schwingendrehpunkt saß.
Cross-Country-Spezialist Simo Kirssi und Enduro-Legende Anders Eriksson fuhren im Folgejahr mit den Prototypen erste Achtungserfolge ein. Folgerichtig, aber vielleicht zu früh, kam in diesem Jahr, dem Jahr der Markteinführung der G 450 X, auch die Aufforderung des BMW-Vorstandes mit Topfahrern der Enduro-WM um den Titel zu fahren.
Der Rest ist fast schon Geschichte: Der zweifache Weltmeister David Knight warf mitten in der Saison die Brocken wortwörtlich hin, weil er das Motorrad nicht auf sich und seinen brutalen Fahrstil abstimmen konnte. Juha Salminen war zu Saisonbeginn teilweise nicht einmal auf dem Podium zu finden.
Dabei lief in der Vorbereitung scheinbar alles perfekt: Die Fahrer fühlten sich wohl und schnell auf den BMWs. Doch im WM-Wettbewerb sprachen die Uhren eine andere Sprache. Auf schnellen Sonderprüfungen fehlte am Ende immer noch das letzte Quäntchen, das in der Weltmeisterschaft den Schritt aufs Siegestreppchen ausmacht.
Bei den neuen Werksmaschinen in der WM (und auch in der GCC bei Simo Kirssi) fährt man ein neues und nicht weniger spektakuläres Fahrwerkskonzept: Motor und Schwinge bilden keine Einheit mehr, sondern - und das ist das eigentlich spektakuläre, können in ihrer Position gegeneinander verändert werden. Damit kann die Antriebsritzel-Position frei gewählt werden und ermöglicht, den optimalen Kompromiss für den jeweiligen Fahrer und jeweiligen Wettbewerb zu finden. Dadurch wird es möglich, die extreme Spannweite im WEC-Wettbewerb, zwischen langsamen Extrem-Enduro einerseits und Highspeed-Prüfungen andererseits, abzudecken.
Dieses neue Konzept wird im Rahmen der Spitzensportanwendung erprobt und auch die mögliche Bandbreite der Abstimmung und die Auswirkungen auf zukünftige Anwendungen getestet.
Mittlerweile hat man bei BMW mit diesem System systematisch die sinnvoll erscheinenden Lastverteilungs- und Fahrgeometrie-Parameter in allen möglichen Bereichen getestet: Vom WEC Top Renneinsatz über die Extrem Enduro Veranstaltungen (z.B. Erzberg oder Romaniacs) und im Kundensport (z.B. ADAC Enduro Cup). Für die geforderte Fahrweise zwischen extrem langsam und extrem schnell, speziell für die WM-Fahrer, haben sich die geänderte Motorposition und zusätzlich geänderte Geometriedaten des Fahrwerks als vorteilhaft erwiesen.
Für den „normalen" Bereich inkl. Wettbewerbseinsatz am Erzberg oder bei der Romaniacs überwiegen die positiven Eigenschaften des Grundkonzepts des Serienmotorrads. Deshalb fahren Andreas Lettenbichler und Gerhard Forster auch auf Serienbasis (und dringen mit dem 4-Takter in Positionen vor, die sonst nur 2-Takter besetzen....).
Das Konzept scheint auch in der Enduro-WM zu funktionieren: Marko Tarkkala (Bild oben) lieferte mit dem vierten Platz sein bestes WM-Resultat des Jahres ab - und der ist immerhin Vizeweltmeister, also sonst gewiß kein Nasenbohrer