Wolfgang Fischer (45) ist seit über einem Jahr Teamchef des HRC Rallye Teams und damit für operative Umsetzung des gesamten Honda Rallye Engagements verantwortlich. Für ein BABOONS-Interview hat sich der Bayer während der Rallye Dakar Zeit genommen.
Erstmal Glückwunsch zum derzeitigen Stand der Dinge bei der Rallye. Paulo ist auf Podiumskurs, Joan Barreda sammelt Etappensiege wie andere Briefmarken und Laia Sanz ist die schnellste Dame, die jemals bei der Dakar am Start war. Zufrieden?
Wolfgang Fischer: Danke, aber noch sind wir nicht in Buenos Aires. Die Dakar war bisher für uns eine extreme Achterbahn der Gefühle. Bis zur Hälfte konnten wir das Rennen fast durchweg von der Spitze aus kontrollieren. Die gesamte Teamperformance passte perfekt, wir wussten aber dass sich das jeden Augenblick ändern konnte und haben deswegen auch auf alle möglichen Szenarien vorbereitet.
Auch auf den Massenstart zur 8. Etappe am Salzsee von Uyuni?
Klar, der Veranstalter hatte das ja auch rechtzeitig bekanntgeben, die Sektion auf dem Salzsee aber wetterabhängig gemacht. De Facto war es aber dann so, dass die ASO den Startpunkt trotz des starken Regens nicht verlegen wollte, um Evo Morales, dem Staatspräsidenten der zum Start angereist war, keine Umstände zu machen. Die Umstände hatten dann aber die Fahrer, denn was folgte war Chaos pur. Die 100 km auf dem Salzsee, zum Teil in knietiefen Salzwasser, wurde für alle Fahrer zum reinen Lotteriespiel. Hier haben sich innerhalb einer halben Stunden zigtausende von Euros im Salzwasserstaub aufgelöst, denn vor allem die Privatfahrer hatten durch das Salz enorme Schäden bis hin zum Totalausfall. Das war nicht nur völlig unnötig, sondern vor allem eine klare Message an die Privatiers, die oftmals den letzten Pfennig in die Dakar investieren.
Auch für die Werksteams ist so ein Unsinn nicht nur extrem teuer, sonder hier wird das reguläre Rennen ausschließlich durch Glück zumindest vorentschieden. Wir haben alle die Bilder gesehen. Joan, der klar auf Titelkurs war, musste für diese Einlage seine Sieghoffung begraben. Das Rennen von Helder wurde ebenso zerstört. Er konnte zwar sein Bike noch selbst reparieren, hatte aber keine Chance mehr irgendwie vorne dabei zu sein. Jeremias Israel war schlussendlich ebenso betroffen, der musste als Wasserträger sein Rennen unterbrechen, um mit Joan dessen Bike ein paar hundert Kilometer aus der Wüste am Abschleppseil rauszuziehen.Das Salz hatte die komplette Elektrik zerstört. Wer mal mit seinem Motorrad einen anderen Fahrer am Seil abgeschleppt hat und das ganze durch schweres Gelände, der weiß, wovon ich spreche. Eine fast übermenschliche Leistung.
Das Team konnte diesen Rückschlag gut wegstecken und hatte mit Paulo Goncalves sofort einen zweiten Joker parat, der ebenfalls siegfähig ist und bis dahin mit nur fünf Minuten Rückstand unterwegs war. Durch den Motorwechsel nach der 10. Etappe und die damit verbundene Zeitstrafe waren dann aber alle Hoffnungen dahin. Warum musstet ihr wechseln?
Nach dem Ende des ersten Teils der zweiten Marathonetappe hat sich Paulos Motor verabschiedet. Wir mussten eine Entscheidung fällen und haben auf Joans relativ frischen Motor zurückgegriffen, da er ja ohnehin den Zeitverlust aus dem Salzsee auf dem Konto hatte. Jeremias Israel hat sich ein weiteres Mal geopfert, gab also seinen Motor an Joan und der wiederum gab seinen Motor an Paulo weiter. Da die Aktion aber in der Marathonetappe, also ohne Teamassistenz, stattfand, waren die Piloten auf sich allein gestellt und haben den Job allein gestemmt. Konkret hieß das für die Fahrer zwei Motoren fehlerfrei unter Zeitdruck und Extrembedingungen wechseln. Man muss sich das mal vorstellen, die fahren den ganzen Tag teilweise bei minus 10 Grad und über 5000 m Höhe, gewinnen die Etappe, tauschen die Motoren in der Nacht, hatten dadurch nur zwei Stunden Schlaf und gewinnen wieder die nächste Etappe. Eine unvorstellbare Leistung. Alle fünf Fahrer gingen bis an ihre physischen und psychischen Grenzen und auch darüber hinaus. Ich bin auf dieses Team unheimlich stolz.
Joan und Paulo waren auf der vorletzten Etappe ebenfalls wieder auf dem Podium. Der Gesamtführende Marc Coma hält sich aber unauffällig zurück und wird, wenn er auf dem Schlussspurt nach Buenos Aires keinen Fehler macht, seinen fünften Dakar Sieg nach Hause fahren. Die HRC-Truppe ist angetreten, um genau das zu verhindern. Wie bewertest Du das Ergebnis?
Jetzt lassen wir alle Fahrer erst mal in Buenos Aires ankommen und dann sehen wir weiter. Falls es aber so ist, haben wir zwar unser primäres Ziel - einen Dakar-Sieg - knapp verpasst, trotzdem aber einen Top-Job erledigt und vor allem ein phantastisches Team geschweißt. In der Performance, im Speed und im gesamten Paket sind wir da, wo wir hinwollten.
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Glück.