Aus dem Rallye-Tagebuch von Klaus Nennewitz:
Gnadenlos harte 3. Etappe in Sardinien

Die heutige Etappe über rund 360 km von Arborea in Richtung Süden auf den Spuren der Enduro WM-Strecke von Iglesias hat alles geboten, was man sich an einem Rallyetag vorstellen und fürchten kann, nachdem die gestrige Etappe relativ rund und zügig zu fahren war hat sich heute das Gelände total geändert.
Start um 8.00 Uhr, 20 km Verbindungsetappe am Golf von Oristano zick-zack durch Pinienwälder und über sandige Feldwege, dabei durfte auch die obligatorische Passage am Strand durchs Wasser des Mittelmeeres für die Fotografen nicht fehlen.

Die Strecke der ersten Sonderprüfung über 44 km spielt sich zum Grossteil auf den Feuerschneisen ab: rund 50 bis 100 Meter breite Erdpisten ohne Vegetation, die dem Verlauf der Berge wie eine Achterbahn folgen, bieten Auf- und Abfahrten wie ich sie bisher nur beim Hillclimbing in Kalifornien gefahren war: extrem steil geht es manchmal mehrere hundert Meter herunter, um dann gleich auf der anderen Seite ebenso steil wieder heraufzugehen, zum Glück noch ohne Steine, das heisst Vollgas auf der 525.
Als besonderes Schmankerl muss man oft mitten in der Auffahrt auf den Meter genau den Singletrail finden, der rechts oder links in die Büsche geht- extrem anspruchsvolle Navigation, meine Lehrzeit beim zweimaligen Breslausieger Christian Wölfl macht sich bezahlt, ich verfahre mich kein einziges Mal und kann 4 Fahrer in der Prüfung überholen. Noch ein Höhepunkt ist eine ca 10 Meter breite und 10 Kilometer lange ultraschnelle Piste mit Sprüngen die uns auf einem Kamm ins Ziel der ersten Sonderprüfung bringt.

Extreme Hitze und 100 km Verbindungsetappe auf felsigen Endurotrails lassen uns völlig erschöpft am Service in der Nähe von Piscinas direkt am Strand ankommen, auf den letzten 40 km kann ich vor Schmerzen in den Unterarmen kaum noch den Lenker halten, in der 45-minütigen Pause können wir uns etwas erholen, während 50 Meter weiter das türkisfarbene Meer zum Baden einlädt, leicht bekleidete Urlauber flanieren zwischen den Service-LKW’s.

Am Start zur zweiten Sonderprüfung schlafe ich vor Müdigkeit fast ein und nach ca 1 Kilometer auf einer brutal felsigen und harten Auffahrt habe ich leichten Bodenkontakt, die neue Dainese-Schutzweste Wave Neck hat dabei unglaublich gut alles weggesteckt. Etwas benommen nehme ich die Fahrt wieder auf, der Schalter zur Bedienung des Tripmasters ist  kaputt gegangen und ich brauche gute 15 Kilometer bis ich meinen Rhythmus wieder finde, insgesamt habe ich durch diese Dummheit wohl 5 Minuten verloren, 5-6 Maschinen haben mich in der Sonderprüfung überholt, die Moral ist im Keller, nur durch eiserne Disziplin und Selbstkontrolle kann ich Übereifer vermeiden und fahre die Prüfung in Ruhe zu Ende-doch es warten noch einmal 140 km Verbindungsetappe auf uns, wir Amateure sind alle mit den Kräften total am Ende, die Kilometer werden nicht weniger, endlose Singletrails mit Felsen gespickt ziehen uns die letzten Energiereserven, wir schleppen uns von einem Asphaltstück zum nächsten bis ins Ziel, so schlimm war es noch nie, echte 10 Stunden auf dem Motorrad im Gelände bei über 30 Grad im Schatten, die Nummern auf dem Roadbook beginnen, ein Eigenleben zu führen, plötzlich fragt man sich warum die 7 so aussieht wie sie ist, man schaut jedes Bild zehnmal an und spricht es sich laut vor-aber ohne Erfolg, es geht Nichts mehr, die Luft ist raus, nur noch ankommen, 2 Reifen wechseln, Luftfilter, Öl, Roadbook, das Übliche halt…bis 1 Uhr morgens…und dann Wecker wieder um 6…uff!

Bei den Profis hat heute Despres gewonnen, Coma liegt in der Gesamtwertung nach wie vor an der Spitze vor Despres und Mancini, meine Wenigkeit ist heute wegen dem Missgeschick auf dem 26. Platz hängen geblieben…

Morgen Marathonetappe über 410 km mit Übernachtung im Zelt auf dem Monte Limbara.

Buona notte dalla Sardegna, Klaus Nennewitz
Genau das ist der schwierigste Punkt beim Rallyefahren: nach einem Sturz ruhig bleiben, nicht übereifrig sein und