lindner seewer

Kann Jeremy Seewer sein Bike selbst reparieren?: Vielleicht, schließlich ist der Schweizer bekannt für seinen Willys Jeep, an dem er in seiner freien Zeit gerne rumtüftelt. Ob es aber an seiner Werks-Yamaha einen besseren Mechaniker gibt?: Ja, definitiv.

Hier kommt Jeremys Trainingsmechaniker Volker Lindner zum Einsatz. Der gebürtige Schweriner hat seine Leidenschaft zur Berufung gemacht. Er selbst beschreibt den Prozess als „Infektion“. Nach der Infektion stellen sich im Regelfall immer die ersten Symptome ein. In diesem Falle hatte er einfach richtig viel Lust am Schrauben, denn besonders kurz nach der deutschen Wende, konnte man nur Motorrad fahren, wenn man sich auch selbst zu helfen wusste. Mit den erlernten Fähigkeiten arbeitete er sich bis in den edlen Workshop des Monster Energy Yamaha Factory MXGP Teams.

Nachdem Volker die Landesmeisterschaft Mecklenburg-Vorpommern gewann und weitere nationale Rennen auf dem Programm standen, schwanden die Möglichkeiten für mehr Motocross. Trotz zufriedenstellender Unterstützung waren erfolgreiche Rennen in höheren Lizenzen einfach nicht mehr möglich – spätestens bei Kalibern wie Bernd Eckenbach oder Collin Dugmore am gemeinsamen Startgatter.

In der Szene angekommen und bekannt geworden, öffnete sich bei Thomas Kneip Motorsports die Tür als Mechaniker auf den Rennen. Nach einigen MX-Piloten wie Antoine Lettelier klopfte 2010 ein gewisser Dennis Ullrich auf der Suche nach einem Mechaniker an. Fortan bildete sich ein starkes Duett aus Lindner und dem damaligen Honda-Waldmann-Fahrer Ullrich.

"In dem Jahr hatten wir den Youngster Cup gewonnen und dann sind wir im Jahr darauf schon alle EMX-Läufe gefahren. Dort ist er dann auch schon ein paar ganz starke Rennen gefahren. Besonders im Hinterkopf bleibt mir, als er sich in Gaildorf im Rennen mit Dylan Ferrandis gebattelt hat. 2013 sind wir dann Masters-Champion mit Sarholz KTM geworden", erinnert sich Lindner genau an die ersten Erfolge. Nachdem Ullrich dann das Team wechselte, blieb Lindner seinem aktuellen Arbeitgeber treu und übernahm die Rolle des Mechanikers bei Henry Jacobi im Jahr 2014/15.

In einem Werksteam angekommen

Im kommenden Jahr ging es dann schon in Richtung Endstufe, denn das Suzuki World MXGP Team heuerte Lindner an und von Tag eins war alles schon mehr als beeindruckend. Doch wo gab es denn ein paar Unterschiede gegenüber einem Werksteam und eines Händlerteams?

"Das waren Welten. Allein schon die Reisen im Winter. Manchmal geht das zwar auch alles zu Hause, aber oftmals musste man schon irgendwohin, wo es annehmbare Möglichkeiten zum Training gibt. Daheim war es dann meistens nass und kalt, was manchmal wie so ein Überlebenskampf war..auch wenn sowas nicht unbedingt immer ein Nachteil ist. Aber für eine vernünftige Vorbereitung ist das schon so im Wämeren angenehmer, weil die Bedingungen besser passen", erklärt er und legt nach.

"Der große Unterschied zwischen dem Händler- und dem Werksteam ist auch einfach die komplette Struktur. Bei Suzuki waren es damals Sylvain Geboers und Stefan Everts, die einfach beide so viel Erfahrung hatten. Die wussten, wie es geht. Es gibt da wirklich viele Faktoren - und dann natürlich auch die ganze Anbindung an den Hersteller.."

2019 übernahm Volker im Yamaha MXGP Werksteam die Rolle als Trainingsmechaniker für Jeremy Seewer, der nach dem Aus von Suzuki in der Motocross-WM ein Jahr zuvor zu Yamaha wechselte. Seitdem begleitet Lindner den Schweizer im Trainingsalltag.

seewer sumbawa
Jeremy Seewer ist seit Jahren eine Konstante in der MXGP mit Yamaha

Damit Volker nicht 24/7 arbeiten muss und vier Augen bekanntlich mehr mitbekommen als zwei, gibt es einen Mechaniker fürs Training und einen fürs Rennwochenende. Dass er dabei mit dem irischen Rennmechaniker Paul Conway im engsten Kontakt steht, braucht nicht erklärt werden. Die Arbeiten der beiden sind in vielen Punkten identisch. Doch wie sieht so eine Arbeitswoche aus?

"Ich kümmere mich nur um die Trainingsmotorräder und das Trainingsmaterial, das wir komplett unter der Woche benutzen. Da sind alle üblichen Aufgabe dabei. Motorradvorbereitung mit reinigen, Filter wechseln, alles checken und so weiter. Dann werden immer mal verschiedene Baugruppen zum Testen getauscht und das passiert natürlich zu erst am Trainingsbike. Wird erfolgreich getestet, dann geht es zum Rennmechaniker für die GP. Bei großen Updates erfolgt aber ganz normal erst noch eine Analyse."

Dass Jeremy Seewer als 5-facher Vizeweltmeister genau weiß, wie sein Bike funktionieren muss, bildet die mechanische Seite der Medaille. Die andere Seite bezieht sich auf sein enges Umfeld, welches mit für seine Erfolge verantwortlich ist - inklusive Trainingsmechaniker, und genau der muss da einfach auch ein professioneller Kumpel sein.

"Wir haben ein gutes Verhältnis. Es ist auch nicht von Nachteil, dass wir miteinander deutsch sprechen können. Wir verbringen eine ganze Menge Zeit zusammen, sogar mehr als mit seinem Rennmechaniker."

Ebenso verhält es sich bei einer guten Beziehung auch mit guten und schlechten Tagen im Renngeschäft, denn: "Sport ist Emotion", erzählt Lindner, der bei einigen, aber nicht allen Rennwochenenden mit an der Strecke ist. "Sowas lässt dich nicht kalt. Ich versuche natürlich immer so cool wie möglich zu bleiben, aber das klappt auch nicht immer. Man versucht da seinen Sportler anzutreiben und zu unterstützen und ihm klar zu machen, dass wir für ihn hier sind. Man fiebert mit, freut sich und leidet.“

Viel Arbeit und "deutsche Qualität"

"Du trainierst unter der Woche, den ganzen Januar und Februar. Da geht das schon alles zur Sache. Das ist nicht nur ein bisschen im Kreis fahren und dann macht man das Bike sauber und gut ist. So einfach ist das nicht, das ist alles sehr viel Arbeit, die da jeder im Team einbringt, egal wer das ist. Dann will man einfach auch das Beste für seine Mannschaft. Natürlich will ich auch, dass mein Fahrer am besten ist, aber wenn jetzt zum Beispiel Maxime (Renaux) oder Glenn (Coldenhoff) ihre Sache gut machen, dann freu ich mich auch."

Jeremy Seewer ist ebenfalls sehr glücklich mit Volker Lindner, denn laut dem Schweizer Spitzenpilot: "Ist auf ihn einfach immer Verlass. Mein Motorrad ist immer perfekt, da gibt es nichts zu meckern, er macht keine Fehler. Alles ist pünktlich, aufgeräumt, geputzt und wie neu. Er ist einfach deutsche Qualität."

Ohne T-Schlüssel sieht man Volker wohl nie in der Hand, denn selbst privat beschäftigt er sich immer wieder gerne mit kleinen Projekten. Mit ein paar Freunden wurde ein Café Racer gebaut und auch das Simson-Herz schlägt in der Brust. Schon zwei Mopeds wurden erfolgreich restauriert und eine Schwalbe von Simson wartet bereits, auf ihr zweites Leben.




Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.