
Giuseppe Luongo verabschiedet sich nach mehr als vier Jahrzehnten als eine der prägendsten Persönlichkeiten im Motocross-Sport weltweit. Sein Rücktritt markiert das Ende einer Ära, die von großen Erfolgen, aber auch von Kontroversen geprägt war.
Luongo hat gestern (10.12.25) offiziell seinen Rücktritt als Präsident von Infront Moto Racing bekanntgegeben. Damit endet eine Karriere, ohne die der Sport nicht das wäre, was er heute ist. Unter Leitung des Italieners wurde die Motocross-WM zur heutigen MXGP-Serie, global vermarktet und medial auf ein neues Niveau gehoben. Mit 65 Jahren blickt Luongo zurück auf über 800 Veranstaltungen, die er organisierte, und kann von sich mit Fug und Recht sagen, dass er ein Lebenswerk geschaffen hat. Ihm folgt sein Sohn David (Foto) als Präsident von Infront Moto.
Die ewige Diskussion ums Preisgeld
So sehr Luongo Antreiber, Vordenker und Mastermind war, so sehr war er auch eine Figur, an der sich die Fans reiben konnten. Viele Fans und Teams warfen ihm vor, den Sport zu stark zu kommerzialisieren. Kritisiert wurden u.a. hohe Kosten für Veranstalter und Teams oder ganz besonders die Abschaffung des Preisgeld für die Fahrer, die immer wieder auflebt. Auch die starke Orientierung an Sponsoren und die Entscheidung für teils seelenlose Strecken im Niemandsland führten dazu, dass sich Teile der Community entfremdet fühlten.
Einer seiner größten Coups war Ende 2003 die Rückkehr als Promoter der Motocross-WM. Für die Saison 2001 war MotoGP-Rechteinhaber Dorna neu eingestiegen, aber nach nur drei Jahren (und dem ungeliebten Format mit einem Lauf je Renntag und Klasse), war Luongo mit Unterstützung der FIM und seiner neuen Firma Youthstream zurück, um da anzuknüpfen, wo er 1999 aufhörte. Es ging zurück zu zwei Läufen in den umbenannten Klassen MX1 und MX2. Die Königsklasse MX1 wird seit 2014 als MXGP geführt.
Aus Youthstream wird Infront Moto Racing
Ende Januar 2019 wurde schließlich bekannt, dass Luongo ein zweites Mal verkauft hatte - und zwar an den Schweizer Sportmarketingkonzern Infront, der damit die exklusiven TV-, Marketing- und Werberechte an der FIM Motocross-Weltmeisterschaft sowie weiteren Serien bis 2036 erwarb. Große Veränderungen im Auftritt der MXGP-WM blieben seither aus. Für Infront war die Übernahme ein strategischer Schritt, man wollte das Portfolio im Motorsport erweitern und langfristig sichern. Für die Motocross-Community bedeutete dies "more of the same", also auch die Fortsetzung jener Mechanismen, die bereits hzuvor für Diskussionen sorgte.
Unbestritten bleibt: Ohne Giuseppe Luongo wäre Motocross heute nicht das Spektakel, das es ist. Er hat Strukturen geschaffen, die den Sport professionalisierten und ihn für ein internationales Publikum öffneten. Die erfolgreiche Integration der Nachwuchsklassen EMX125 und EMX250 für Talente der Zukunft, oder in Teilen auch der Frauen-WM, zählt ohne Zweifel zu seinen größten Leistungen.
Luongo hatte zudem früh erkannt, wie wichtig eine gute Medienarbeit ist, gute Arbeitsbedingungen für die Presse vor Ort, Außendarstellung, das Internet, Live Timing, Investitionen in Digitalisierung allgemein und in TV-Präsenz. Mit der Übergabe an seinen Sohn David soll nun Kontinuität gesichert werden.
Hier ein Auszug von Luongos Worten in der Pressemeldung zu seinem Abschied:
"Dieser Tag ist voller Emotionen für mich, denn es ist das, was ich mir seit einigen Jahren gewünscht habe. Gleichzeitig spüre ich aber auch, dass ich einen Teil von mir selbst verliere und mich von meiner Familie verabschiede. Meine Leidenschaft und Liebe zum Motocross bleiben jedoch bestehen, und ich werde die Meisterschaften weiterhin auf MXGP-TV.com verfolgen und jederzeit mit meiner Erfahrung Ratschläge geben. Mein Rücktritt vom Motocross ermöglicht es mir nun, mehr Zeit meiner Familie und meinen anderen Leidenschaften zu widmen."
"Durch die Organisation der verschiedenen Motocross-Meisterschaften habe ich weit mehr gelernt als nur das Management eines Sports. Ich habe gelernt, zu vermitteln, Geduld zu haben, zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen und mit Siegen und Niederlagen umzugehen. Ich betone immer wieder, wie wichtig es im Motocross-Management – im Gegensatz zu anderen Sportarten – ist, die richtige Balance zwischen Amateuren und Profis zu finden."
"42 Jahre als Promoter sind eine sehr lange Karriere. Ich hatte die Gelegenheit, viele Länder zu bereisen und viele Menschen auf der ganzen Welt kennenzulernen. Diese Begegnungen mit verschiedenen Sprachen und Kulturen waren eine große Bereicherung. Es gibt viele Menschen, denen ich für ihre Unterstützung auf diesem erfolgreichen Weg danken möchte."
"Beruflich bin ich meinem Sohn David dankbar, der die Liebe zu diesem Sport geerbt und die Seele des Motocross sofort verstanden hat. Dank seiner Vision und seines Managements wird er unseren Traum weiterführen, und nun ermöglicht er mir, mich beruhigt zur Ruhe zu setzen. Und nicht zuletzt meine Frau Ursula, die in den letzten 24 Jahren jeden Augenblick unseres Lebens mit mir zusammengearbeitet, mir bei allem geholfen und mir viele gute Ratschläge gegeben hat, wenn es nötig war. Zum Glück wird das auch so bleiben. Der größte Dank gilt dem Motocross. Seit ich 15 bin, habe ich alles dafür gegeben, aber es hat mir auch alles zurückgegeben, und ich werde immer einer seiner größten Fans bleiben."



