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Jeremy Sydow galt schon lange als deutsches Offroad-Talent. Während seine Anfänge klassisch im Motocross stattfanden und er erfolgreich in der Motocross-Weltmeisterschaft fuhr, machten ihm einige Verletzungen die Karriere schwer. Eine Neuausrichtung musste her und der junge Mann aus Chemnitz entschied sich für die Wurzeln der Familie Sydow: Enduro-Racing. Mit einem Sherco-Werksbike bewaffnet präsentiert sich der 24-Jährige sowohl im deutschen Enduro als auch bei den GPs in hervorragender Verfassung.

Im folgenden Interview beleuchten wir verschiedenste Seiten des sympathischen Sachsens. Wir springen von Vergangenheit und Zukunft über Racing und Leben abseits der Strecke des aktuellen Deutschen Meisters in der E1-Kategorie.

Rückblick auf die Anfänge

Hi Jeremy, ich würde gerne mit deinen MX-Wurzeln starten. Hattest du während deiner Karriere als MX-Fahrer jemals an aktives Enduroracing gedacht?

Sydow: "Also, ich bin 2016 schon mal ein Endurorennen in Zschopau gefahren, weil ich das einfach mal machen wollte und mein Papa ja früher auch Enduro bei MZ gefahren ist. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass ich das jetzt schon so zeitig machen werde. Im Plan hatte ich das aber.

Einfluss der Familie

Der Name Sydow hat im Enduro-Bereich Tradition. Wie hat dich deine Familie in deiner Karriere geprägt, und spielt sie heute noch eine Rolle in deinem sportlichen Alltag?

Sydow: Ich habe mit drei Jahren begonnen, Motorrad zu fahren und von da an war die ganze Familie jedes Wochenende mit auf den Strecken, was uns als Familie natürlich zusammengebracht hat. Wir haben immer alles zusammen gemacht und das war natürlich eine riesige Unterstützung. Heute sind wir nicht mehr jedes Wochenende zusammen weg, aber die Unterstützung ist die gleiche. Mein Training mache ich jetzt auch nur noch mit meinem Trainer Marcus Kehr allein. Sie kommen aber auf so viele Rennen, wie es geht.

Der Wechsel zu Enduro

Beim Wechsel vom Motocross-Motorrad zum Enduro-Bike: Welchen Unterschied hast du am deutlichsten gespürt, und welche Skills musstest du dir neu aneignen?

Sydow: Das habe ich immer nie so richtig verglichen, weil das Motorrad komplett anders ist, allein schon durch den Zweitakter. Besonders viel trainieren musste ich für die Extremtests. Das habe ich mit Marcus Kehr im Winter 22/23 gemacht. Da habe ich recht schnell gemerkt, dass ich mich darin verbesserte und das auch gut so weiterging. In diesem Jahr war ich bei den Extremtests auch mit am besten. Da zahlt es sich aus, dass ich da richtig viel gemacht habe. Jetzt lege ich gerade den Fokus wieder etwas mehr auf den Motocross-Teil, weil ich das in den letzten Jahren kaum gemacht habe. Meine Konzentration lag wirklich sehr auf dem Extremtest und dem Enduro-Teil. Ich mixe jetzt einfach und habe, denke ich, wieder ein gutes Programm für mich.

Du hast einen Motocross-Fahrstil gehabt. Musstest du am Anfang für die Umstellung das Enduro-Bike speziell einstellen?

Sydow: Nein, gar nicht, weil ich auch beim Motocross schon einen ruhigen Fahrstil hatte. Das kam dem Enduro sehr entgegen, weshalb ich in meinem ersten halben Jahr auch mit einem Standard-Bike fahren konnte. Nur am Fahrwerk hatten wir etwas angepasst. Mit einem Standard-Motorrad kann man fast gewinnen, weil der Fahrer noch mehr Prozente ausmacht, als es beim Motocross der Fall ist. Der Wechsel fiel mir also leicht.

Enduro ist global gesehen eine kleinere Szene als MX. Wie empfindest du die Community?

Sydow: In der Enduro-Szene gibt es ein wirklich schönes Miteinander. Wir gehen zusammen die Strecke ab und geben uns gegenseitig Tipps. Das gab es beim Motocross nicht, weil da jeder sein eigenes Ding macht. Wir sind da familiärer, und das sagen auch viele, die von MX rübergewechselt sind. Mir macht das viel Spaß, weil wir da alle mehr Kumpels sind, und das ist schön so. Ich wurde damals auch sehr gut in der Szene aufgenommen und konnte viele Freundschaften schließen.

Der Enduro-Sport wächst stetig. Was würdest du jungen Fahrern raten, die in diesem Bereich erfolgreich werden wollen? Die meisten zieht es ja eher auf die Motocross-Strecke.

Sydow: Der ADAC-Jugendenduro-Cup, bei dem ich dieses Jahr in Flöha auch mal geholfen habe, ist, denke ich, mit das beste Sprungbrett für Enduro. Die fahren teilweise auf den gleichen Strecken wie wir, nur an manchen Stellen etwas einfacher. Da lohnt es sich auf jeden Fall, mal mitzumachen. Auch ein Lehrgang mit einem guten Fahrer lohnt sich, da er einfach die Basics von Grund auf lehrt. Dann macht das Fahren auch später mehr Spaß, weil schwerere Strecken leichter sind.

Mentale Stärke

Die Rennzeiten sind viel länger. Gibt es Tricks oder Techniken, die dir helfen, fokussiert zu bleiben?

Sydow: Also klar, wir sitzen lange auf dem Bike, aber eigentlich zählt es nur bei den Sonderprüfungen und die sind so etwa 6–13 Minuten lang. Auf die kann man sich immer wieder gut fokussieren. Man geht da quasi vor der Prüfung in den Rennmodus und den Rest macht man mit Grundspeed, damit man in seiner Zeit bleibt. Bei der WM sind die Passagen schwieriger, aber auch da habe ich mit der Konzentration keine Probleme. Was natürlich anders ist, ist, dass du schon am Mittwoch an der Strecke bist, dort alles abläufst und dir merken musst. Die Beine sind da durch, bevor man in den Renntag geht.

Hast du eine Strategie für schwierige Etappen oder knifflige Elemente?

Sydow: Wir machen ja nicht so komplett unfahrbare Sachen. Ich gehe immer locker an die Sache ran und achte sehr auf meine Technik. Ich weiß, dass ich das Hindernis überwinden muss und nicht so stürmisch rangehe, dass ich Minuten verlieren könnte. Ich verliere lieber zwei Sekunden bei der Anfahrt, anstatt mit Vollgas einen großen Verlust zu riskieren.

Beim Motocross hätte dich diese Herangehensweise viele Plätze gekostet. Das muss für dich eine große Umstellung gewesen sein, oder?


Sydow: Ja, auf jeden Fall! Daran musste ich mich gewöhnen. Das Gas wegnehmen und das große Ganze sehen.


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Erfolge und Zukunftspläne

Du bist aktuell sehr erfolgreich – sei es in der DEM, bei Prestige-Events wie Zschopau oder in den GPs. Wo siehst du deine Entwicklung 2025?

Sydow: Ich würde gerne in der WM ein Podium einfahren. Das war dieses Jahr auch wirklich schwierig, weil meine Klasse sehr stark besetzt war. Manche Rennen waren da schon krass. Im kommenden Jahr wechseln manche die Klasse und dann ist das wieder durchmischter. Ich will mich im Winter bezüglich schwerer Hindernisse entwickeln. Da will ich noch konstanter werden. Ich weiß, dass ich das im Training gut kann und im Rennen mache ich mir da einfach zu viele Gedanken und fahre einfach zu steif. Ich muss irgendwie die Lockerheit der DM mit in die WM nehmen, dann kann ich noch einen Schritt nach vorn machen.

Extrem Enduro

Sea to Sky oder Romaniacs: Sind solche extremen Rennen für dich ein Thema oder hast du schon Pläne, dort zu starten?

Sydow: Im Moment eher nicht. Ich will mich erstmal aufs klassische Enduro konzentrieren. Bei den Extremrennen sehe ich mich nicht so richtig oder muss da unbedingt dabei sein. Es ist einfach sehr extrem, und es braucht andere Erfahrungen, auch was die Skills im Trailbereich angeht. Das klassische Enduro fetzt mir, und das andere brauche ich nicht unbedingt. Fürs Training habe ich mir aber trotzdem ein Trail-Motorrad gekauft, weil es einfach sehr gutes Training ist. Beim Erzberg-Rodeo würde mich nur interessieren, wie weit ich da kommen würde. Aber da ich es nicht ins Ziel schaffen würde, wäre es auch sinnlos.

Das perfekte Rennen

Wenn du ein Rennen designen könntest – wie würde es aussehen? Technisch anspruchsvoll, lange Distanzen oder mit besonderen Hindernissen?

Sydow: Ich hätte gerne den Cross-Test von Zschopau 2022, weil das einfach eine perfekte Prüfung war. Ich mag es, wenn der Boden nicht zu trocken ist, auch wenn ich am Renntag keinen Regen brauche. Der Enduro-Test wäre sehr flüssig und der Extrem-Test nicht zu anspruchsvoll.

4-Takt oder 2-Takt?

Am Ende sorgt diese Frage immer für Diskussionen: 4-Takt oder 2-Takt?

Sydow: Also beim Enduro bin ich bisher nur Zweitakt gefahren. Den 4-Takter habe ich bisher noch nicht probiert, weil das Team mich auf dem Zweitakter haben möchte. Ich bin damit aber super zufrieden, weil wir den besten Zweitakter im Feld haben. Ich setze auf Zweitakt.

Spitzensport Bundeswehr

Wie sieht da dein Arbeitsverhältnis aus? Was sind deine Pflichten und was deine Privilegien?

Sydow: Ich musste als Erstes die Grundausbildung abschließen, die aber nur einen Monat ging. Meiner Sportgruppe muss ich jeden Monat meinen Trainingsplan zusenden. Das ist sozusagen meine Versicherung, damit sie wissen, wo ich gerade bin und was ich so trainiere und mache. Ansonsten bin ich da komplett freigestellt, was meinen Sport angeht. Einmal im Jahr muss ich einen Monat zur Weiterbildung, aber das wäre dann auch schon alles. Wenn die Leistung im Jahr stimmt, dann wird man von Jahr zu Jahr verlängert, und irgendwann kann man dann Soldat auf Zeit werden, wenn man das möchte.

Persönliche Ziele außerhalb des Rennsports

Neben deiner Sportkarriere – gibt es ein persönliches Ziel oder einen Traum, den du dir in den nächsten Jahren erfüllen möchtest?

Sydow: Naja, es hat dann doch wieder was mit dem Sport zu tun. Ich würde gerne nach meiner aktiven Karriere der Jugend helfen und in einem Team tätig sein, weil mir sowas viel Spaß macht. Den einen oder anderen Lehrgang habe ich auch schon mitgemacht oder irgendwo mit ausgeholfen. Wenn sich da mal eine Gelegenheit ergeben würde, dann würde ich das sehr gerne annehmen.

Risiko und Belohnung

Ich würde gerne zum Abschluss eine These aufstellen, die du kommentieren kannst, aber nicht musst. Du bist in der Motocross-WM gefahren und jetzt erfolgreich im deutschen Enduro. Ich bin der Meinung, du kannst jetzt vom Sport besser leben als davor.

Sydow: Ja, auf jeden Fall! Seitdem ich Enduro fahre, haben sich viele Türen geöffnet. Beispielsweise auch die mit der Bundeswehr, die eine große Unterstützung ist. Viele Sponsoren helfen aus, und auch Sherco, die mich ins Werksteam gesetzt haben und mich dafür bezahlen. Mit der These liegst du richtig, weil man in der Motocross-WM Geld mitbringen muss, wenn man in keinem Werksteam fährt.

Vielen Dank Jeremy. Viel Erfolg in der kommenden Saison und weiterhin viel Spaß!




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