Mit insgesamt 9 Enduro-Weltmeistertitel ist er 29jährige Brite einer der erfolgreichsten, zur Zeit aktiven Endurofahrer. Trotzdem steht Holcombe als aktueller GP-Sieger nach diesem Jahr ohne einen Vertrag oder ein Team für die nächste Saison da.
Wie hat deine internationale Karriere angefangen?
2014 wurde ich auf KTM Junioren-Europameister. Und fuhr dann auch noch das letzte Rennen der Weltmeisterschaft, wo ich an beiden Tagen Zehnter in der Junioren-Klasse wurde.
Dann habe ich in England einen Vertrag von Beta bekommen und einer meiner Helfer, der mir auch heute immer noch bei der Abstimmung der Federung hilft, hatte einen guten Kontakt zu Boano. So hat er ihn gefragt, ob ich für die Saison ein Motorrad haben könnte.
Aber ich konnte den ersten Lauf in Chile nicht mitfahren, weil das zu teuer gewesen wäre und ich bin dann in Spanien eingestiegen.
Ist der Zweitakter und die E3-Klasse eher dein Favorit?
Ja, das ist es – ich habe die Saison dann auf der 250er angefangen und mit der 300 in England. Am Ende der Saison, beim letzten Rennen in Frankreich haben wir dann auch im GP eine 300er eingesetzt.
Das lief echt gut für mich, denn 2013 und 2014 bin ich eine 250er Viertakt gefahren – aber vorher bin ich immer nur Zweitakter gefahren und deshalb fühlte ich mich darauf von Anfang an wirklich wohl.
Nachdem Du so glücklich und erfolgreich auf dem Zweitakter warst, warum hast Du auf den Viertakter umgesattelt.
Ja, ich gewann in der E3 sogar den GP-Titel und für 2019 hatten wir dann ein wirklich gutes Paket geschnürt, aber dann bin ich krank geworden. Danach habe ich eine neue Herausforderung gesucht. Es ist kein Geheimnis, dass der Beta-Viertakter nicht so viel Erfolg gehabt hatte und mein Plan war, der Firma dabei zu helfen, dieses Motorrad weiter zu entwickeln, bis zu dem Punkt, wo ich damit gewinnen könnte.
Die nächsten beiden Jahre liefen etwas unglücklich?
Grundsätzlich hatte ich keinen Spaß wie es lief, aber man Verletzungen hat, ist es immer schwierig sich nicht nur körperlich, sondern auch mental zu erholen. Meine Stürze hatten fast immer den gleichen Grund und da ist es schwierig die Motivation zu behalten. Jedes Mal, wenn ich auf den alten Level kam, hatte ich einen neuen Sturz und eine ähnliche Verletzung. Gerade im letzten Jahr (2022) lief das so.
Aber das half mit, mich selbst ein wenig besser zu verstehen und genau das war auch das, was mir dieses Jahr so geholfen hat. Ich habe in den zwei schwierigen Jahren viel gelernt und mich selbst verbessert. Auch und gerade physisch, wo ich letzten Winter viel trainiert habe.
Nach so vielen guten Jahren muss man eben auch einmal die schlechten Zeiten wegstecken können.
Wann hast du in der letzten Saison erstmals die echte Chance gesehen, wieder GP-Meister zu werden?
Schweden, ganz klar der GP von Schweden. Finnland und Schweden waren die beiden wichtigsten Läufe in diesem Jahr, wo man die Chance hatte den Abstand in der Meisterschaft herauszufahren. Es war besonders wichtig hier einige Punkte mitzunehmen.
Deshalb habe ich hart gepusht und einige andere Fahrer hatten ihre Probleme, ich glaube, weil wir an der Spitze so schnell gewesen waren.
Aber ich war so glücklich, dass ich am zweiten Tag meinen ersten Gesamtsieg nach zwei Jahren einfahren konnte. Das Gefühl konnte ich über den Sommer mit in die Slowakei nehmen und dann zum Finale nach Portugal.
Es ist auch kein Geheimnis, dass du dich mit deinem Teamkollege Brad Freeman nicht so gut verstanden hast, was vielleicht die Untertreibung des Jahres ist. Was ist da passiert?
Das genau zu beschreiben ist ziemlich schwierig – Ich glaube es liegt viel an seiner Denkweise – ich will jetzt nicht alles auf ihn schieben, ich habe da sicher auch Einiges dazu beigetragen, aber ich weiß nicht genau was.
Es war mit Sicherheit eine schwierige Situation aus der Sicht des Teams und war haben gemeinsam versucht diese Problematik anzugehen. Es ist vielleicht nicht nötig, dass er und ich Freunde sein müssten, aber für das Team ist es auf alle Fälle besser, wir hätten schon ein besseres Verhältnis zueinander. Aber das hat nicht funktioniert – das war nicht die beste Situation, aber so war es eben.
Wieso aber hat er einen Vertrag beim Beta-Team für das nächste Jahr und du nicht?
Manche Sachen sind nicht meine Entscheidung – Er hatte schon einen Vertrag, bevor ich die Verhandlungen hatte. Er hatte die Priorität beim Team. Und ich glaube auch, dass das die Wahl des Motorrad ebenfalls Priorität hatte.
Nach den zwei Jahren auf dem Viertakter wollte ich gerne wieder auf den Zweitakter zurück. Ich habe ja vorher schon vier Jahre gezeigt, was ich auf dem Zweitakter kann und ich bin jetzt an einen Punkt gekommen, wo ich wieder etwas ändern möchte.
Ich wäre gerne bei Beta geblieben, aber sie wollten Brad nicht auf den Viertakter zwingen.
Tatsächlich habe ich die vier Jahre im Beta-Werksteam sehr genossen. Vor allen Dingen das erste und das letzte Jahr. Dazwischen war es manchmal ein wenig seltsam, weil wir da verschiedene Motorräder ausprobiert hatten. Aber am Ende hatte ich eine Menge Erfolg gehabt. Ich habe bewiesen, dass der Viertakter auch gut ist.
International viel unterwegs, aber wo ist dein Zuhause gewesen, in Italien beim Team oder in England?
In England (spontan)! Ich war so oft wie möglich Zuhause, so oft es ging. In der letzten Zeit gerade nicht, ich habe in den 8 Wochen nur vier Nächte Zuhause verbracht.
Normalerweise bin ich zwar zu Beginn der Saison, vor der Italienischen Meisterschaft, längere Zeit in Italien, weil das leichter für das Testen mit dem Team ist.
Aber dann versuche ich so viel Zuhause zu sein, wie es geht. Manchmal mit dem Camper ein paar Tage vorher zu den Rennen, um zu sehen, wie die Bedingungen dort sind, aber normalerweise lieber Zuhause.
Du bist Profi und musst mit deiner Fahrerei Geld verdienen. Gibt es im Fahrerlager noch Teams die einen Champion bezahlen können und wollten?
Ja und Nein. Viele der Teams haben kein Budget mehr übrig. Es ist klar, dass Beta das meiste Geld bezahlt, was auch der Grund ist, warum Freeman und ich dort sind. Aber im Moment sind natürlich auch die meisten Teams und Fahrer unter Vertrag. Es ist schwierig etwas auf dem Level zu finden, das ich die letzten Jahre gehabt habe.
Aber das Gute ist, dass ich in den letzten Jahren erfolgreich war und gutes Geld gemacht habe. Das bedeutet, dass ich etwas weniger Stress habe, weil es mir nicht nur um das Geld gehen muss, sondern ich auch danach sehen kann, was ist das für ein Team, wie steht das Motorrad da usw.
Es ist aber schon interessant, wenn Du so mitbekommst, was die Leute so zahlen wollen, bzw. was sie so erwarten. Aber ja, es gibt da immer noch Teams mit einem guten Budget.
Weil du im Moment noch nichts Konkretes zu ihren weiteren sportlichen Aktivitäten sagen möchtest, frage ich eher allgemein – wo siehst du dich in zehn Jahren
Zurückgetreten (spontan)! Aber erst mal ist mein Plan, dass ich noch mindestens vier Jahre gut fahren werde. Wenn es dann eine gute Möglichkeit gibt im Fahrerlager für eine Firma zu arbeiten, dann das, sonst werde ich mich zurückziehen.
Zurück in den Beruf?
Nachdem ich die Schule beendet hatte habe ich eine Art College besucht und etwas mit Maschinenbau gemacht. Mein Vater hat aktuell eine Autowerkstatt, also weiß ich auch wie das geht.
Aber ursprünglich wollte ich ja zur Armee – bevor ich Motorrad-Profi wurde hatte ich die Wahl, zur Armee oder die Motorräder. Wenn das mit den Motorrädern nicht geklappt hätte, wäre ich zu den Royal Air Force gegangen, das wäre meine erste Wahl. Aber auch Polizei wäre eine gute Möglichkeit.
Es ist eigentlich eine Schande, dass ich dem Sport den Rücken kehre, obwohl ich so viel Erfahrungen und Kenntnisse habe. Aber ich will dann nicht mehr soviel Reisen, wie ich es jetzt machen muss. Eigentlich verbindet man ja Reisen mit Ferien, aber für uns Sportler ist das meistens Stress.
Abschiedsvorstellung auf Beta: Holcombe beimGotland Grand National in Schweden