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Fantic ist ein 1968 gegründeter italienischer Motorradhersteller aus der Provinz Treviso. Die Modellpalette deckt sportliche Enduromodelle von 50 bis 250ccm ab. Unter der 2016 neu gegründeten Marke „Caballero“ werden Maschinen im Scrambler-Stil von 125 bis 500ccm produziert. 2019 wurden rund 6.000 Maschinen abgesetzt, E-MTBs gehören ebenso zum Lieferprogramm.

2019 hat Fantic eine Vereinbarung mit Yamaha getroffen: die Japaner liefern den Italienern ihre Motocross- und Enduro-Wettbewerbsmodelle mit Zwei- und Viertaktmotoren. Fantic wird diese mit eigenem Bodywork einkleiden und auch technische Änderungen vornehmen, eine EU 5-Homologation ist für die Enduromodelle in 2020 geplant.

Mariano Roman, Jahrgang 1955 ist kein Unbekannter in der italienischen Motorradindustrie: 1979 begann seine Karriere als junger Ingenieur beim Motorradhersteller Laverda. 1985 wechselte er zu Aprilia nach Noale, dort übernahm er bald die Leitung der Entwicklungsabteilung. Die Entwicklung und die Produktion der BMW F 650 verhalfen zu einer Konsolidierung des Entwicklungsprozesses sowie zu einem erheblichen Zugewinn an industriellem Know-How und einer Verbesserung des Qualitätsstandards.

Das Superbike RSV 1000 war ab 1998 die neue Referenz für sportliche Motorradfahrwerke und war nur die erste von weiteren innovativen Maschinen mit dem Rotax Zweizylinder V-Motor. Als Leiter der Business Unit „Offroad“ gewann er mit der Zweizylindermaschine SXV in den Nullerjahren mehrere Supermoto WM-Titel, bevor er 2008 zur Firma Casagrande nach Pordenone wechselte, einem Weltmarktführer für Bohrvorrichtungen zum Bau von Hochhausfundamenten.

Mariano, wie kam es zu deiner Rückkehr in die Motorradindustrie zu Fantic?

Nach rund 30 Jahren in der Motorradindustrie mit Laverda und Aprilia hat mir die „Entgiftung“ vom Motorrad und die Beschäftigung mit anderen Themen gut getan. Als ich zu Casagrande gekommen bin war der Weltmarkt 2008 zusammengebrochen, es war eine komplett neue Herausforderung für mich, um der Firma mit extrem rationaler Herangehensweise das Überleben zu sichern. Motorradentwicklung war immer ein großes Thema von Leidenschaft, aber jetzt war ein kühler Kopf gefragt.

Ich hatte mitbekommen, dass Fantic zum Verkauf stand. Die Firma war an einem Punkt angekommen wo sie entscheiden musste zu wachsen und zu investieren, oder zu schließen. Um Motorräder zu bauen, braucht man heute eine Mindestgröße und man muss investieren, um die vom Markt geforderte Produkt-Performance und Qualität zu liefern. Zusammen mit Alberto Baban, dem Präsident der Aktiengesellschaft VeNetWork und einigen Teilhabern schauten wir uns nach Firmen um, die ein großes Wachstumspotential hatten, um sie durch eine Finanzierung zu fördern. Dabei stießen wir auf Fantic, Baban stimmte zu unter der Bedingung, dass ich als Geschäftsführer einstieg.

Im Oktober 2014 haben wir die Firma übernommen und waren einen Monat später auf der EICMA Motorradmesse in Mailand präsent. In jenem Jahr hatte Fantic einen Umsatz von rund 1 Mio €.


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Waren die Schubfächer bei Fantic voll oder leer, als du den neuen Job angetreten hast?

Es waren noch wenige Leute bei Fantic beschäftigt und es gab viel zu tun. Wir haben die Ärmel hochgekrempelt und angefangen, die aktuellen Produkte in Ordnung zu bringen: Qualität, Zuverlässigkeit, frisches Design...

Welche Ziele hattet Ihr Euch bei der Übernahme gesetzt?

Ich hatte 2014 einen Businessplan ausgearbeitet, der von einem Umsatz von 20 Mio € nach 5 Jahren ausging, also in 2019. Der reale Umsatz im letzten Jahr war rund 40 Mio €. Seit dem wir die Firma in die Hand genommen haben, ist sie ständig gewachsen und hat immer “eine Lire verdient”.

Welche sind die wichtigsten Märkte?

Wir positionieren uns im oberen Marktsegment mit einem Racing-Appeal und sind in ganz Europa vertreten. Frankreich ist für uns sehr wichtig und in Italien haben wir letztes Jahr rund 1.000 Stück der 125ccm Viertaktenduro verkauft. In Deutschland vertreiben wir direkt und dann gibt es noch Länder, in denen „Italian Style” sehr stark gefragt ist, wie Israel, Japan, Südafrika, Chile und Ecuador. Außerdem haben wir einen Agenten in Shanghai, der uns mit den asiatischen Märkten hilft. Für die Mountainbikes ist USA der wichtigste Markt, dort sind wir mit einer Filiale in Denver, Colorado präsent.

Wie kam euch die Idee der Caballero-Marke?

Das haben wir gemeinsam mit unserem Designer Ricardo Chiosi entwickelt, der hat eine unglaubliche Motorradkultur und ist wirklich gut. Mit dieser frischen und trendy Marke und dem minimalistischen und sehr einprägsamen Design haben wir Stilelemente aus der glorreichen Geschichte mit moderner Technik zu einem Paket gebündelt, mit dem wir Kunden aller Altersklassen ansprechen. Die Caballero hat ein zeitloses Design und wird auch in 30 Jahren noch auf dem Markt präsent sein, wie der Aprilia-Scooter Scarabeo. Wir stehen für ein minimalistisches und essentielles Design, die großen japanischen Hersteller schwenken auch langsam wieder in diese Richtung, das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Du benutzt oft die Ausdrücke “Leidenschaft und Herausforderung“. In der Geschichte der Motorradindustrie gibt es einige Beispiele, wo das alleine für den Erfolg nicht gereicht hat. Wie schaffst du es, die Leidenschaft und die Rationalität in deiner Arbeit zu verbinden?

Genau das ist mein Job! Wie bereits gesagt waren die sechs Jahre bei Casagrande eine sehr wichtige Erfahrung für mich, um der Rationalität in der Geschäftsführung den angemessenen Raum zu geben. Normalerweise, wenn man eine Firma übernimmt, sind die ersten 2-3 Jahre von Verlusten geprägt. In Fantic haben wir jedes Jahr Geld verdient. Die Leidenschaft braucht es für gute Produkte, und für den Rest ein gutes Management.

Wie hat sich die Motorradentwicklung in den letzten Jahren verändert?

Die gesetzlichen Vorschriften und Grenzwerte sind heute viel strenger, der Arbeitsaufwand hat sich in den letzten 25 Jahren verdoppelt. Die große Herausforderung ist, das Gleichgewicht zwischen Performance und zugelassenen Grenzwerten zu finden. Unsere Entwickler arbeiten heute sehr intensiv und schaffen es, mit Simulationen den Entwicklungsprozess zu verkürzen. Im Oktober hatten wir die Verträge mit Yamaha unterschrieben, im November waren wir auf der EICMA mit den Offroadmaschinen und den neuen Karrosserieteilen aus Rapid Prototyping, im Januar hatten wir die ersten werkzeugfallenden Teile.

Diese Leistung und Bereitschaft der jungen Mitarbeiter muss aber gefördert werden, wir machen 2-3 Teambuilding-Events pro Jahr in den Dolomiten mit unseren E-Bikes. Aber ansonsten hat sich nicht viel geändert: die Leidenschaft und der sportliche Ehrgeiz sind immer noch der Antrieb unserer Arbeit.

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den asiatischen Zulieferern seit der Jahrtausendwende entwickelt, als man begann, sich dort zu bedienen?

Wir gehen heute nach Asien auf der Suche nach innovativen Technologien, dort gibt es Carbonrahmen für unsere Mountainbikes mit extrem hoher Qualität, es gibt eine hervorragende Qualitätskontrolle, dort kannst du alles finden. Natürlich musst du eine gute Auswahl treffen und wir haben vier Leute vor Ort in einem Büro in Canton, die uns die Verlässlichkeit der Lieferkette garantieren.

Im Entwicklungsprozess sehe ich noch Verbesserungspotential, wenn aber ein Produkt erstmal für die Produktion freigegeben ist, dann passt es schon. Die Qualität hat aber auch dort ihren Preis: heute zahlen wir das Doppelte im Vergleich zu den Preisen vor 15-20 Jahren, die chinesischen Partner arbeiten aber immer noch mit geringeren Margen als die westlichen Zulieferer.

Kommen wir zu dem neuen Projekt, den Offroadmaschinen mit der technischen Yamaha-Plattform. Das Projekt entspringt einer konkreten Wachstumsplanung oder ist eher das Resultat der Begeisterung für den Rennsport?

Die Idee kommt von mir. Heute ist der Rennsport immer wichtiger für das Image einer Motorradfirma, wir brauchten also eine Möglichkeit, schnell wieder am Start zu sein. Wir sind schon länger ein wichtiger Partner für Yamaha durch die Verwendung des 125ccm Viertaktmotors, der bei der Yamaha-Tochter Minarelli in Bologna produziert wird. Wir kennen uns seit Jahrzehnten, es gibt also eine Vertrauensbasis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Mit einer aktuellen Yamaha kann man heute nicht mehr an einer Enduroveranstaltung auf öffentlichen Wegen teilnehmen, weil die Maschinen nicht für den Straßenbetrieb homologiert sind. Welche Alternativen kann Fantic bieten?

Wir werden für die Zweitakt- und Viertakt-Offroadmodelle die Euro 5-Zulassung umsetzen. Wir sind eine kleine flexible Firma und können uns voll auf die technische Umsetzung der Homologation konzentrieren, wahrscheinlich besser als ein Gigant wie Yamaha, bei dem der Aufwand im Vergleich zu den relativ wenigen verkauften Maschinen sehr aufwendig ist. Wir können unsere Flexibilität und schnelle Reaktionsfähigkeit zusammen mit dem technischen Know-How von Yamaha bündeln, um 7.000 bis 10.000 Maschinen in den nächsten drei Jahren auf den Markt zu bringen.

Wir haben ein kleines Team mit hervorragenden und erfahrenen Technikern für die Motoren- und Motorradentwicklung. Dadurch können wir unseren Kunden sehr leistungsstarke Maschinen anbieten, Yamaha ist ja schon die Referenz für Offroad-Fahrwerke. Wir werden unsere Kunden mit Serviceteams an den Rennstrecken unterstützen, damit sie das Maximum aus den Maschinen herausholen können.

Werdet ihr auch in der Supermotoszene einsteigen?

Das kann ich im Moment noch nicht beurteilen, wir müssen die Markttendenzen gut beobachten.

Wie werdet Ihr euch auf dem wichtigsten Offroadmarkt, dem amerikanischen, engagieren?

Wir werden dort nicht präsent sein. Yamaha hat dort viel investiert und wir möchten nicht in Konkurrenz zu unserem Partner gehen

Wie werdet ihr im Racing aufgestellt sein? Wer sind die Fahrer und die Teams?

Im Motocross nimmt das Team von Corrado Maddii mit den zwei jungen Piloten Andrea Bonacorsi und Andrea Rossi an der internationalen Italienischen Meisterschaft sowie an der Europameisterschaft und der Italienischen Meisterschaft teil.

Im Enduro treten wir mit 2 Teams an:

Das Jolly Racing Team von Franco Mayr wird mit der XE 250 sowie den Fahrern Eloy Degavardo, Ricardo Fabris und Harry Edmondson an der Enduro-WM teilnehmen.

Im zweiten Team Sicilia Racing Team von Marco d’Arpa fahren Hugo Svard und Jed Etchells in der Enduro-WM Klasse E1.

Die Dakar?

Das ist eine große Versuchung, wir werden das beobachten.

Bei welchem Hubraum ist die Grenze nach oben für eine Zusammenarbeit mit Yamaha?

Yamaha ist offen für eine weitere Zusammenarbeit und die Überlassung anderer Motoren, die heute noch nicht in unserem Portfolio sind. Ich bin mir sicher, dass wir noch einige sehr interessante gemeinsame Projekte umsetzen werden…In jedem Fall ist der Rennsport immer noch die beste Werbung, um ein Produkt und eine Marke erfolgreich in Szene zu setzen.

Zum Abschluss, welches Motorrad würdest du Dir heute für den privaten Gebrauch zulegen?

Die Yamaha TT 700!

Mariano, vielen Dank für das Gespräch!

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