Aus dem Rallye-Tagebuch von Klaus Nennewitz:
• 1.Etappe 360 km, davon 95 und 75 km Sonderprüfung
• Erste Sonderprüfung startet mit 1 Stunde Verspätung weil die Zeitnehmer noch nicht am Ziel sind. Warten unter der brütenden Sonne.

 

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Depres in Action

 

• Gelegenheit, mit Renato Zocchi, 52 Jahre und erster Ausrichter der Sardinienrallye 1983 zu plaudern: „…die Probleme kenne ich noch, wir waren damals ca 8 Monate im Jahr auf Sardinien, um die Roadbooks zu schreiben…“ dieses Jahr fährt er wieder mit, die Leidenschaft für die Insel lässt ihn nicht los.
• Die Strecke der ersten Sonderprüfung ist extrem schwierig zu fahren weil der Boden extrem rutschig ist: das Hinterrad dreht in jedem Gang an jeder Stelle durch, in engen Serpentinen windet sich die Piste auf der einen Seite im Gebüsch den Berg hinauf und auf der anderen wieder runter. Kurze Geraden von 50-100 m, dann sehr enge Serpentinen und oftmals blinde Kurven direkt am Abgrund in denen viele Bremsspuren gerade noch so vor dem freien Fall enden…Und immer wieder Steine und Felsen jeder Kategorie und Grössenordnung
• Extrem konservative Fahrweise ist angesagt, um den Hinterreifen zu schonen:früh hochschalten und so gut wie nie durchdrehen lassen
• 2 Kilometer vor dem Ende der ersten SP steht der Fahrer einer Aprilia wild gestikulierend mit einem Seil auf der Piste-ohne Benzin. Ich schleppe ihn raus, dabei ruiniere ich mir fast endgültig den Hinterreifen, weil er nur durchdreht. Nach dem Ziel fällt mir der Italiener um den Hals und knutscht mich ab
• Das Roadbook an sich ist nicht besonders kompliziert, der Grossteil des Rennens spielt sich auf Pisten ab. Breslau-Rallye ist erheblich anspruchsvoller was das Roadbook angeht, dennoch ist Sardinien extrem schwer zu fahren wegen den hohen Geschwindigkeiten und den Steinen

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Gruppe vor dem Start

• Eine 13 km lange Passage mit 50 km/h Speedlimit wird auf der Strasse gefahren, um die für eine WM nötige Mindestlänge für Sonderprüfungen zusammen zu bekommen. Überwacht wird das Limit von einem neuen GPS Sender der italienischen Firma Sporttrax, die Touratech Italien angegliedert ist. Unter Wolfgang Schindele läuft die ganze Zeitnahme der Rallye nun auf elektronischer Basis, Abend werden die Tracks komplett ausgelesen, um Abkürzer zu ertappen. Die Fahrer haben ausserdem einen Notsender und eine Magnetkarte für die Zeitnahme.
• Nach der ersten Sonderprüfung wird das gesamte Feld in einem kleinen Ort gestoppt weil ein Grundbesitzer für die Passage eines jeden Motorrades 300 Euro fordert. 50 km Verbindung im Gelände gestrichen, die einzige Bar im Ort ist innerhalb von 30 Minuten komplett leergefuttert
• Beim technischen Service vor der zweiten Sonderprüfung fehlen Marc Coma und Jordi Viladoms-die beiden haben sich auf der nicht ausgeschilderten Verbindungesetappe komplett verfranst
• Während ich am Start zur zweiten SP stehe kommt Ullevalsetter mit den beiden Katalanen angerast und sorgt für das totale Chaos bei der Zeitnahme, weil er unbedingt vor allen anderen in die Prüfung will.
• Am Ende startet Coma 1 Minute vor mir und Viladoms eine hinter mir. Was für ein Gefühl!!!!! Nach 5 Kilometern überholt mich Viladoms im dichten Staub absolut korrekt, ich sehe seine Staubfahne noch ca 5 Minuten, dann bin ich wieder alleine (wie fast den ganzen Tag)
• Nach der letzten Sonderprüfung wartet noch eine extreme Piste auf uns: 30 km im dichten Wald. 10 cm hoch Staub und dazwischen wieder Steine jeder Art, wir brauchen dafür noch mal über eine Stunde und sind langsam am Ende unserer Kräfte
• Ankunft im Biwack gegen 20 Uhr, das sind echte 11 Stunden auf dem Motorrad oder 11 Stunden Fitnessstudio oder 11 Stunden Schläge bekommen
• Hinterreifen und Luftfilter wechseln, Schrauben kontrollieren, das war’s. Nach einer Stunde ist fast Feierabend (das Roadbook kommt noch)
• Die KTM MXC 525 läuft nach wie vor super nur die Bremsen bereiten mir Probleme: der Druckpunkt lässt sich bei der Serienanlage vorne (Modell 2005) leider nicht präzise genug finden, dabei ist auf diesem extremen Gelände wirklich äusserstes Fingerspitzengefühl nötig, manchmal ist es wie auf Eis.
• Despres gewinnt die heutige Etappe vor Coma und Mancini, das ist auch der Stand der Gesamtwertung
• Im Gesamtklassement liege ich momentan auf dem 29. Platz, ist nach wie vor ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis für mich!

Am Freitag Etappe Coast to Coast, von der ostküste zur Westküste überqueren wir die ganze Insel, Gesamtlänge ca 360 km

Saluti da Sardegna, Klaus Nennewitz