Tagebuch des Klaus Nennewitz: Ein kräftiger Wind macht es möglich, die extremen Temperaturen (über 30 Grad im Schatten) beim Schlangestehen zur technischen Abnahme zu ertragen, die Phonprüfung hat dabei allerdings nur eine formale Funktion, konkrete technische Daten auszulesen ist unter den Bedingungen (zum Glück) unmöglich.

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Langsam fällt die Spannung ab: der erste Start

Nachdem meine Maschine als zweite endlich in den Parc Fermé rollt legt sich ein wenig die Spannung, bei der Montage der zwei Mousse auf die Ersatzräder hilft mir der mytische Rennmaschinenkonstrukteur Fernando „Piccolo“ Prades, der in den Neunziger Jahren zusammen mit Heinz Kinigadner die Rallyeära bei KTM eingeläutet hat. Hinterher gibt es Jambon Iberico zur Stärkung während das komplette Fahrerlager bei uns Station macht.
Nach einigen Jahren, die ich mich nun schon mehr oder weniger aktiv in der Rallyeszene herumtreibe fühle ich mich unter den Jungs wirklich zu Hause, die Atmosphäre ist blendend!

Zwischenzeitlich ist auch unser Service-Van aus Cagliari eingetroffen, wir sind 4 Piloten, denen Fahrer Bruno so gut wie möglich zur Hand gehen wird, die Menge an Material ist bemerkenswert:
Pro Fahrer laden wir 6-8 Reifen, 2 Ersatzmousse und 2 Ersatzräder ein, dazu die legendäre Dakar-Blechkiste „Pierre Henry“, Benzinkannister, Ausrüstungsstaschen und am Ende stecken wir in die letzten Freiräume noch rund 80 Wasserflaschen.

Beim letzten Mahl vor dem Start treffe ich auf meine Bekannte Enrica Perego, die unter „Sudest Raid“ Touren in Afrika veranstaltet: durchs ganze Restauant ruft sie mir zu „…man, bist Du alt geworden…!“-„ Na ja, die Haare sind grauer, aber was wirst Du mir dann erst sagen nach der Marathonetappe am 4. Tag, ob Du dann hingegen noch als Frau zu erkennen sein wirst…?“

Alles ist verstaut und das Motorrad steht im Parc Fermé- man fühlt sich ein wenig wie vorm Staatsexamen: was man bis jetzt nicht gelernt oder organisiert hat lässt sich nicht mehr aufholen, ausserdem habe ich seit 10 Tagen ständig das Gefühl wie bei einem Wohnungsumzug: „…wo ist das, in welcher Tasche sind die Magnesiumtabletten, ich muss noch Bananen kaufen, ach, und Motoröl fehlt auch noch…“
Schon in der letzten Nacht habe ich kaum ein Auge zugemacht, immer wieder das Licht angeknippst, um in den Notizblock auf dem Nachtschränkchen die letzten Dinge zu notieren-jetzt reicht’s! Es werde Licht (grüne Startampel).

Um 17 Uhr geht es endlich nach 5 Kilometern Verbindung auf der Strasse in die ausgeschilderte, 13 Kilometer lange Sonderprüfung.
Das Tal bei San Teodoro ist angefüllt mit Staub als ich als 29. starte, der erste Teil der Strecke sind schnelle Pisten, die sich mit Zementstücken in den Kehren abwechseln, extrem rutschig und rollig, das Motorrad geht in den Kurven über beide Räder sanft weg-aber welch ein Genuss!!!!
Vom andauernden Regen des Winters sind die Pisten in einem erbärmlichen Zustand: gerade wenn man den Scheitelpunkt der Kurve auf der Innenseite anvisiert wird sehr oft ein tiefes, ausgewaschenes Loch sichtbar, das Motorrad und Fahrer geradezu verschlingen will! Also, in den Kurven immer mindestens 1 Meter Abstand zum Rand!
Doch der zweite Teil der Sonderprüfung wird noch schlimmer: tiefe, ausgewaschene Gräben, die kreuz und quer durch die mit Steinen übersäte Piste gehen verlangen zu äusserster Vorsicht und Konzentration, manchmal weiss man gar nicht mehr, wo man die Räder hinlenken soll, wenn das morgen auf der 390 km langen Etappe so weitergeht werden wir in der Dunkelheit ankommen, keine Chance, einen Schnitt über 40 km/h zu fahren.

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Der erste Zieleinlauf

David Casteu gewinnt die Sonderprüfung und die erste Etappe vor Ruben Faria aus Portugal und Francisco Lopez aus Chile während Despres auf dem achten und Coma auf dem elften Platz einlaufen.

Meine KTM 525 läuft hervorragend, die Reifen haften sehr gut, ich fahre zum ersten Mal mit Metzeler Sixdays, die Federung ist noch etwas zu weich und muss nachjustiert werden. Ich habe ein gutes Gefühl auf dem Motorrad, es macht unheimlich Spass und ich habe genug Sicherheitsmargen, am Ende springt ein 28. Platz von 76 Startern heraus, damit bin ich mehr als zufrieden, Ruhe bewahren, die Rallye ist noch lang und abgerechnet wird am Schluss! Der Hinterreifen hat sich auf den 13 km zu ca 20% abgenutzt, morgen ist absolut schonende Fahrweise angesagt, sonst ist die Etappe mit einem Reifen nie zu schaffen!

Jetzt ist es 21 Uhr, noch schnell essen, dann wieder um- und einpacken und vor dem Schlafengehen noch das Roadbook studieren, das sind noch mal gute 2 Stunden Arbeit!

Morgen Start um 8 Uhr, die erste echte Etappe, es wird hammerhart!!!!!

Ciao ciao, Klaus Nennewitz

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