Völlig überraschend kommt der Rücktritt des 35jährigen Sebastien Guillaume. In einem Interview erzählt der Franzose von seinem letzten schwierigen Jahr bei GasGas und den Enduro-Anfängen bei der Armee...

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2013-02-guillaume-Warum diese Entscheidung, wo Du doch eigentlich noch Fahren könntest?
Sebastien Guillaume: "Einfach, weil es jetzt nicht mehr möglich ist, ein gutes Team zu finden. Ende 2011 habe ich einen Zweijahres-Vertrag mit GasGas abgeschlossen, aber während der letzten Sixdays (auf dem Sachsenring) hat man mir gesagt, dass sie aus finanziellen und technischen Gründen den Vertrag aufgelöst hätten.
Ich habe schon in Deutschland angefangen mit verschiedenen Teams Kontakt aufzunehmen - aber alle hatten schon ihre Fahrer unter Vertrag.
So habe ich dann seit Ende November versucht ein Budget auf die Beine zu stellen, dass mir erlaubt in der Enduro-WM an den Start zu gehen - aber unglücklicherweise ist es gerade sehr schwer ein ausreichendes Budget zusammen zu bekommen.
Ich habe versucht eine Möglichkeit zu finden, in der französischen Meisterschaft und bei ein paar "Klassikern" an den Start zu gehen, aber auch dazu würde ich ein grosses Budget benötigen.
So habe ich die Entscheidung getroffen, meine professinonelle Karriere zu beeenden. Ich musste zu mir selbst ehrlich sein: Es war nicht möglich ein Team und einen Platz für 2013 zu finden.
Ich bin nur sehr wiederwillig in den Ruhestand gegangen, denn ich hätte eigentlich noch ein Jahr mit GasGas .... sie haben mich zum Rücktritt gezwungen!"

Was war genau mit GasGas passiert?
"Es war für sie finanziell einfach nicht mehr möglich mich zu bezahlen. So konnte ich nicht mit ihnen weiter machen, ohne jede Vergütung und ohne die Garantie, überhaupt die Saison zu beenden."

Warst Du wirklich nicht bei einem anderen Team im Gespräch?
"Überhaupt nicht - wie gesagt, die meisten anderen Team haben ihr Budget auch gekürzt oder waren einfach schon komplet."

Tatsächlich sollen Antoine Meo und Fabio Farioli versucht haben, Dich im KTM-Support-Team unterzubringen...
"In Wirklichkeit haben Antoine und ich darüber gesprochen, sowohl ein Motorrad, als auch eine Betreuung während der Rennen zu organisieren. Er meinte, ich sollte mit Fabio sprechen. Doch der hatte Antoine schon gesagt, dass das Support-Team voll wäre. Es war mehr ein Gespräch unter Freunden, denn ein ernsthafter Plan."
 
Bereust Du es nicht, Dich schon im Alter von 35 Jahren in den Ruhestand zu verabschieden?
"Total! Ich hoffe auch, dass dieser Ruhestand nicht für immer ist. In mir drin weiß ich, dass ich immer noch in der Lage bin beim Enduro Großes zu leisten.
Aber ich muss auch zugeben, dass meine lestzen beiden Jahre entäuschend waren und ich nicht meine Bestleistung gezeigt habe. Deshalb sind die Teams auch nicht besonders interessiert...
Ich bin frustriert, aber ich kann mir auch keinen Platz in einem Team kaufen, denn ich habe nicht die Zeit gleichzeitig zu Trainieren und das Geld für das Fahren aufzutreiben."

Wirst Du der Enduro-Welt erhalten bleiben oder wirst Du Deine Karriere in eine gänzlich andere Richung einschlagen?
"Wenn ich den Rücktritt erst einmal verdaut habe, wird es sicherlich mein Ziel sein, einen Platz in der Welt des Motorradsportes zu finden. Aber die Jobs in dieser Region sind nicht sehr dicht gesäht.
Ich habe meine Ausbildung und deshalb bin ich natürlich daran interessiert weiter mit Motorrädern zu arbeiten. Im Moment habe ich keinen Job und ich muss erst einmal über den Rückschlag hinwegkommen, bevor ich mit etwas anderem anfange.
Ich muss zugeben, wenn mich ein Team ruft, werde ich die Gelegenheit beim Schopfe packen, auch wenn es nur für einige Läufe wäre! Weil ich weder die Motorräder, das Training oder das Personal habe, habe auch die Läufe in Spanien und Frankreich noch nicht geplant. Das ist das Ende einer Ära!"

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2007 - das erste Jahr bei Fabio Azzalin im Husqvarna-Team

Wenn Du an Deine lange Karriere denkst, was fällt Dir dazu ein?
"13 Jahre als Profi ist heutzutage eine lange Zeit. Von meinen 13 Jahren war ich elf Jahre in der WM, davon zweimal Vize-Weltmeister und viermal Dritter. Dazu bei 10 Sixdays gestartet und vier Siege eingefahren.
Ich bin nicht zufrieden, das ist meine Natur, aber wenn mir Jemand, als ich bei mit der Armee im Sport anfing, gesagt hätte, dass ich anschließend solch eine Menge an Erfolgen hätte, dann wäre ich sehr froh gewesen, unterschrieben zu haben.
Immer noch fehlt mir ein WM-Titel... und ich glaube ich könnte das auch noch, aber dazu wird es wahrscheinlich nie mehr kommen. Ich glaube ich werde anfangen Schach zu spielen ... oder Poker! Nein, nicht Poker, ich habe keine Ahnung vom Pokern!"

Welche Erinnerungen hast Du an Deine Anfänge bei der französischen Armee (EEAT)?
Ich fing in den Jahren 2000 und 2003 mit der EEAT an. Dort hat man mir Alles beigebracht: die Disziplin, mich zu organisieren, wie wichtig das gesellschaftliche Leben ist und die Arbeit als Enduro-Fahrer. Ich muss mich wirklich bei Fred Weill, dem Chief Warrant Offizier Rocheleux und dem Chief Pineau, bedanken, wie bei allen, die mich bei der Armee willkommen geheißen haben und mir eine Menge beigebracht haben. Ihnen habe ich es am Ende zu verdanken, dass es am Ende so viele Siege und Erfolge geworden sind."

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Immer wieder auf dem Siegertreppchen (Mitte) - hier im Jahre 2008

Nach der Zeit mit der Armee fuhrst Du GasGas, dann unterschriebst Du bei Azzalin und dem CH Racing Team, um am Ende wieder zurück zu GasGas zu kommen. Bereust Du es nicht, nie andere Erfahrungen mit anderen Marken, besonders mit Viertakt-Motorrädern, gemacht zu haben?
"Ich fuhr 2004 bis 2006 für GasGas und dann für "Azza" von 2007 bis 2011. Die Zeit mit dem CH Racing Team war einfach unglaublich: Ich hatte gute Resultate und ein sehr freundliches Team, dass ich auch sehr gemocht habe. Natürlich wünschte ich, ich könnte mal einen Viertakter probiert haben - aber ich war immer damit einverstanden einen Zweitakter zu Fahren. Nur 2008 fing ich die Saison mit einer 500er Viertakt von Husqvqarna an und hatte entäuschende Resultate, weshalb ich wieder zurück zum Zweitakter wechselte. In dem Jahr verpasste ich den Titel hinter Samuli Aro (FIN). Wenn ich die Saison im Zweitakter angefangen hätte, wäre ich vielleicht Weltmeister geworden... Ich bin als Zweitakt-Fahrer bekannt, aber ich habe viel mit Viertakt-Motorraädern trainiert und weiß, dass ich sehr anpassungsfähig bin."
 
Wenn Du überlegst, was ist die schönste Erinnerung für Dich?
"Meine allererste Wahl ist mein Vize-WM-Titel 2009 mit Azzalin. Zu Beginn des Jahres hatte ich mir bei Testfahrten die Hand gebrochen. Gerade einmal 15 Tage vor dem ersten Grand Prix.  
Der Chirurg sagte mir, dass eine Operation unumgänglich wäre. Ich fragte ihn, ob ich damit würde Fahren können. Er versprach mir Alles zu tun, was er könne, aber es würde schmerzhaft werden. Diese Schmerzen! Ich wusste damit umzugehen und fuhr nach Spanien zum ersten Lauf der Meisterschaft. Während der Runde Spanien-Portugal war es für mich sehr schwer, aber ich kämpfte viel und das Team stand komplett hinter mir. Ich habe immer noch das Bild im Kopf, wo ich als Vizeweltmeister in Noiretable auf dem Podium stehe. Das war ein ganz großer Erfolg für das Team und für mich. Ich habe nie Aufgegeben und das ist das Ergebnis - das zählt wie ein Sieg.
Meine zweite Wahl fällt auf die Sixdays in Griechenland 2008, wo wir nur mit einem "B"-Team angetreten sind. Die Presse hatte uns schon vor dem Start ausgelacht. Aber am Ende holten wir mit einem gut organisierten Team den Sieg. Diese ISDE ... Es war die Erneuerng der französischen Dominanz - es war irgendwie der Klick."
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Vizeweltmeister trotz gebrochener Hand (2009) 

Du hast seit 2010 eine Menge körperlicher Probleme gehabt und dazu auch noch ein wenig Pech.
"Seit letzter Woche denke ich darüber nach! Richtig, ich hatte Pech; ich hatte eine Menge Verletzungen zu Beginn der Saison, letztes Jahr genau vor der Südamerika-Tour das Lungenproblem (Pneumothorax). 2011 als ich im Training stürzte und auf meinem Kopf landete. Es dauerte Monate, bis sich herausstellte, dass ein Knochen in meinem Nacken schief stand. Und 2009 hatte ich einige Probleme mit der gebrochenen Hand... Mir ist nicht oft ein guter Start in die Saison gelungen und ich verstehe nicht, warum ich in dieser Periode so viele Verletzungen hatte."
 
Nach dreizehn Jahren an der Spitze, wie hat sich Deiner Meinung nach Enduro entwickelt?
Um 2000 hatte sich Enduro mit seinen fünf Klassen etabliert. Mit der Ankunft von Alain Blanchard reduzierten wir das auf drei Klassen und das war eine gute Wahl, damit das Publikum unseren Sport besser verfolgen konnte. Seit 2004 ist die Enduro-WM immer besser organisiert; die Ankunft von ABC hat eine bessere Kommunikation ermöglicht, eine bessere Präsentation in der Presse und im Fernsehen. Ich kam dazu, in einer Zeit, als die Fahrer auch noch so bezahlt wurden, wie es sich gehörte, jetzt ist es aufgrund der Finanzkrise für alle schwieriger.
Auf der sportlichen Seite sind die Sonderprüfungen vielseitiger geworden: Mit Xtrem-Test, Cross-Test und Enduro-Test kann sich Jeder heraussuchen, was ihm am besten gefällt. Ich persönlich bin nur gegen eine einzige Sache: Vier Runden! Das mochte ich noch nie. Ich mag es, wie früher, längere Etappen zu fahren. Bei vier Runden kennst Du am Ende der Woche die Strecke perfekt, aber es ist einfach so, dass längere Etappen heutzutage nur noch schwer genehmigt werden können. Wir müssen uns bei den Clubs vor Ort bedanken, denn es ist nicht einfach.
Ich war bei der Entstehung des Super-Tests dabei. Ich selbst bevorzuge einfache und schnelle Super-Tests, mit ein paar Sprüngen und Hindernissen. Für die Zuschauer ist das perfekt, er kann bis ins Ziel einige Rad-an-Rad-Kämpfe zwischen den Fahrern sehen. Aber wenn die Strecke zu hart ist, sieht es aus wie ein großer Zirkus.
Natürlich schauen wir Fahrer in erster Linie auf unseren eigenen Vorteil, aber wir müssen auch an den Veranstalter und die Zuschauer denken. Dennoch müssen wir Alle zugeben, dass sich Enduro sehr positiv entwickelt hat.
Die Enduro-WM läßt die Leute träumen. Schau nur auf die Motocross-Fahrer, die in unseren Sport kommen: Vor zehn Jahren wollten die Nichts von Enduro hören! Dazu ist das Fahrerlager richtig professionell geworden ... Ja, Enduro ist Pro!"

Auf dem Weg durch all Deine Jahre hast Du zwei Generationen erlebt: Die Alten wie Germain, Esquirol und Bernard und die Neuen wie Meo, Renet und Nambotin ... Wo sind die großen Unterschiede zwischen diesen beiden Generationen?
2013-02-guillaume-2007"Ich würde sogar von drei Generationen sprechen: Neben den Genannten sind es jetzt die 21-Jahre jungen Aufsteiger wie Bellino.
Die Generation Meo-Renet-Aubert sind Fahrer, die im Motocross nicht den absoluten Durchbruch geschafft haben, aber einen Kopf auf der Schulter haben: Sie sind respektvoll, ruhig und sehr professionell, diese Kerle haben viel gearbeiter und dahin zu kommen, wo sie jetzt sind. Sie hatten Probleme im Motocross, weil sie da noch zu jung waren, haben jetzt aber Erfolg im Enduro. Bellino ist ein verrückter Hund: Ich habe auch mit 21 Jahren im Enduro angefangen, aber er ist technisch viel geschickter, weil er schon mit dem Rennenfahren viel früher angefangen hat. Er wird Erfolg haben, aber er muss erst noch ruhiger werden.
Bezüglich der älteren Generation habe ich das Gefühl, dass diese Leute weniger Freunde waren als Heute; zum Beispiel liefen sie nicht gemeinsam die Tests ab. Heute trainieren sie zusammen und das ermöglicht schnellere Verbesserungen. Das ermöglicht auch die französische Föderation, zusammen mit einem Wintertraining für jeden Fahrer. Daher kannte ich Antoine Meo schon zu der Zeit als ich noch ein Motocross-Fahrer war. Da gibt es einen großen Unterschied zum Enduro, wo Du gegen die Uhr, und zum Mx, wo Du gegen den anderen Fahrer antrittst. Darum ist die Stimmung beim Enduro so gut. Wenn Du an einem Tag verlierst, ist es Dein eigener Fehler und nicht der von einem anderen Fahrer, der Dir in der letzten Kurve einen Block-Pass verpasst hat!"

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Wir sagen offiziell "Goodbye" zu einem großen Sportsmann und freuen uns auf ein Wiedersehen in irgendeiner Weise ...