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Die Gerüchteküche brodelte schon länger. Denn dass die Rallye Dakar nach zehn Jahren nicht mehr nach Südamerika zurückkehrt, galt als sicher. Ein Comeback in Afrika, wo bis 2007 gefahren wurde, schien ausgeschlossen. Also musste was Neues her. Jetzt besteht Klarheit: die Rallye Dakar 2020 kommt nach Saudi-Arabien.

Die A.S.O. als Dakar-Veranstalter war die letzten Jahre in Südamerika an Grenzen gestoßen. Die Rallye wurde 2019 erstmalig in nur einem Land gefahren: Peru. Argentinien, Chile und Bolivien haben sich als Gastgeber verabschiedet. Wie so oft geht es dabei ums Geld - die Franzosen verlangen handfeste Gebühren für einen Auftritt ihres Motorsport-Spektakels in einem Land - aber auch Naturkatastrophen haben ihre Spuren hinterlassen. In Südamerika haben die Regierungen dringendere Probleme, als die Dakar zu hofieren.

Sechs Mal größere Fläche als Deutschland

Also Saudi Arabien! Rein geographisch bietet das Land alles, was die Teilnehmer auch in Afrika oder Südamerika schätzen. Wüste, technisch schwieriges Gelände, offene Passagen, Gebirge. Das Königreich ist mit 2,15 Millionen km² ein Flächengigant und das mit Abstand größte Land auf der arabischen Halbinsel. Allerdings ist es alles andere als konfliktfrei. Es grenzt an den Irak, Katar, Jordanien, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, den Oman und Jemen. Mit Nachbar Jemen ist man in kriegerische Auseinandersetzungen verstrickt, die riesige humanitäre Verwerfungen nach sich ziehen. Andere Krisengebiete des Nahen und Mittleren Ostens liegen vor der Haustür.

Menschenrechte zählen nicht viel in der absolutistisch geführten Monarchie. Frauen sind nicht gleichberechtigt, das Rechtssystem genügt nicht annähernd westlich-demokratischen Maßstäben - und nicht zuletzt war da erst kürzlich der Fall Kashoggi. Ein Bürger Saudi-Arabiens, der 2018 im landeseigenen Konsulat in Istanbul brutal ermordet wurde, was ein sehr spezielles Licht auf die Saudis warf. Zwar ging ein Aufschrei um die Welt, die internationalen Konsequenzen blieben aber überschaubar. Jetzt suchen die Araber möglicherweise Aufmerksamkeit und Wohlwollen mit der Rallye Dakar.

Sollte es auf Seiten der A.S.O. Bedenken gegen einen Auftritt der Rallye gegeben haben, haben sich diese inzwischen erledigt.

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Das war´s. Januar 2019. Letzte Zielankunft in Südamerika.

Verschiedene Medien berichten, das Land zahle bis zu 15 Millionen US$ Antrittshonorar. Nach dem Debüt 2020, vermutlich im gewohnten Dakar-Monat Januar mit Start in Riad, könnte es in der Folge auch in den Oman, nach Jordanien oder Ägypten gehen. Das Geld dafür soll, so wird gemunkelt, dann ebenfalls aus Saudi-Arabien kommen. Für das ölreichste Land der Welt macht der Deal Sinn. Kaum ein Motorsport-Event weltweit verbrennt innerhalb so kurzer Zeit so viele Tonnen Treibstoff. Das scheint den Monarchen zu gefallen. Eine andere Frage ist, wie der Aufenthalt von über tausend "Ungläubigen" im Land gehandhabt werden soll. Von einer Diktatur, in der Frauen erst seit letztem Jahr Auto fahren dürfen. 

Man darf auf die internationalen Reaktionen gespannt sein. Die Motorsportwelt wird sich auf die sportliche Seite fokussieren, umso mehr, je näher man dem Ereignis kommt. Wie die breitere Öffentlichkeit den Auftritt der Rallye in dem Königreich aufnimmt, und ob die Rechnung der Herrscher aufgeht, steht auf einem anderen Blatt. Die Teilnehmer und Teams werden kommen, was bleibt ihnen auch anderes übrig?

Die Dakar ist das mit Abstand größte Event in der Branche. Und das Highlight der diesjährigen FIM Cross Country Rallye-WM, die Silk Way Rallye, führt auch nicht gerade durch das Territorium lupenreiner Demokratien. 

Details zur neuen Ära des "härtesten Rennens der Welt" werden in einer Pressekonferenz in Saudi-Arabien am 25.04. erwartet.