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Die Baja Deutschland lud Anfang Oktober nach Sachsen-Anhalt ein, deren Ruf wir zum 10-jährigen Jubiläum im Rahmen eines Motorrad-Tests gefolgt sind. Bei der Baja Deutschland - wer sie noch nicht kennt - handelt es sich um die größte Offroad-Rallye in Deutschland, bei der man legal noch zu fast 100 Prozent reine Offroad-Strecke unter die Stollen nehmen kann. Das hat sich natürlich herumgesprochen, so dass diese Drei-Tages-Rallye schon lange keine rein nationale Veranstaltung mehr ist. Denn Teilnehmer aus Holland, Belgien und England, Frankreich, Tschechien, Schweiz, Italien, Ungarn und Griechenland  nehmen regelmäßig an der Baja im Herzen von Deutschland teil. Sogar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hat man den langen Weg nach Sachsen-Anhalt in der Nähe von Leipzig auf sich genommen, um in der Kategorie "Cars" an den Start zu gehen. Dazu kommen die Kategorien Quads, SSV, Cars und Trucks - ein Spektakel mit etwas Dakar-Feeling.

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Für uns war das natürlich eine ideale Möglichkeit mal einen etwas unbekannteren Untersatz ins Rallye-Thema zu führen. Und zwar stammt unser Offroad-Bike aus Portugal und hört auf die Bezeichnung AJP PR7. Hierzulande eher noch selten anzutreffen haben bereits weit über 100 Exemplare weltweit ihre Besitzer gefunden.

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Ein Grund mehr mit diesem Adventure-Bike an einer Rallye teilzunehmen und ihr gehörig auf den Zahn zu fühlen. Warum gerade eine Rallye? Die Entscheidung ist darin begründet, dass man diesem Adventure-Bike eine Rallye-Geometrie verpasst hat, um abseits der Straße einen guten Geradeauslauf generieren zu können ohne bei der Handlichkeit große Einbußen hinnehmen zu müssen.
Die Idee hinter der PR7 ist ein lang gehegter Traum des AJP-Firmeneigners Pinto, der mit diesem Motorrad vom nördlichsten Punkt des nordamerikanischen Kontinent bis an die südliche Spitze von Südamerika – genauer nach Feuerland – fahren möchte. Daher waren  Offroadtauglichkeit, guter Geradeauslauf, eine passende Reichweite, das leichte Ablesen der vorgegebenen Route über das Rallye-Cockpit und ein zuverlässiger Langstreckenmotor die herausragenden Eckpunkte bei der Entwicklung. Das Herzstück der AJP ist ein alter Bekannter in Form des 600er SWM-Motors. Dabei handelt es sich nicht um einen schnell hochdrehenden Sportmotor, sondern um einen drehmomentstarken Dauerläufer mit ordentlicher Schwungmasse. Ein Rallye-Vorbau dient für die optimale Positionierung der Navigations-Geräte im Sichtfeld des Fahrers, was schon ab Werk mit Tablet-PC vormontiert ist. Ein 17-Liter großer Acerbis-Hecktank sorgt für eine angemessene Reichweite und das Sachs-Fahrwerk bietet ausreichend Federweg, sollte es mal anspruchsvoller werden. Natürlich ist die AJP PR7 mit 165 Kilogramm kein Leichtgewicht, doch dadurch wird es umso interessanter wie gut man in der leichten Sportenduro-Kategorie mitmischen kann.

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Für diesen Einsatz bedurfte es ein paar kleinere Motifikationen am Bike, was ein geändertes Fahrwerks-Setup durch Winkler-Suspension aus Eberstadt notwendig machte. Härtere Federn und eine erhöhte Dämpfung waren für eine sportliche Gangart unumgänglich.

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Sachs-Gabel im zerlegten Zustand...

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Sachs-Federbein vollständig demontiert mit gut sichtbarem Shim-Paket...

Von Gibson-Tyres stammt die Bereifung samt Mousse. Da die PR7 knapp 160 km/h erreicht und dabei noch nicht einmal den komplett verfügbaren Drehzahlbereich nutzt, wurde ihr eine kürzere Sekundär-Übersetzung spendiert. Die Vorderrad-Bremse ersetzte man durch einen 320mm-Kit von Behringer, um genügend Reserve bei Dauerstress im Sporteinsatz zu haben. Für die Navigation kamen ein Roadbookhalter, ein Tripmaster sowie ein Garmin GPS zum Einsatz.

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Voll besetzter Rallye-Tower...

Der Rest blieb unangetastet, denn wir wollten ja zugleich sehen, was das Adventure-Bike im Serienzustand kann. Für die Vorbereitung und den technischen Support war der AJP-Importeur Lars Keseberg von Crossover-Cycles aus Olpe mit von der Partie, um seine PR7 im ungewöhnlichen Rallye-Einsatz zu begleiten.

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Letzter Check vor der ersten WP...

Wie üblich bedeutet Rallye navigieren bei hohem Tempo, was nicht jedermanns Sache ist. Das ausgehändigte Roadbook muss für die jeweilige Wertungsprüfung vorbereitet werden, um es dann im Wettbewerb schnell und verständlich lesen zu können. Der Start der ersten Prüfung erfolgt am ersten Rallyetag um 8 Uhr mit einer Eingewöhnungsrunde von acht Kilometern, um sein Equipment testen zu können - einmalig!

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Vorstart: Bikes und Quads starten gemeinsam...

Das Wetter zeigte über die drei Rallyetage sein ganzes Spektrum: Windböen, Platzregen, niedrige Temperaturen, aber auch einige Sonnenstrahlen kamen zum Vorschein. Gestartet wurde im Zwei-Mann-Modus und ab ging die Post. Zunächst galt es sich auf dem schnellen Schotterkurs an die Bremsen und das Driftvermögen der PR7 zu gewöhnen. Speziell beim Motor muss man durch die hohe Schwungmasse etwas umdenken. Denn hier brachte der rechtzeitige Gangwechsel bei mittleren Drehzahlen wichtige Traktionsvorteile. Mit einem fünten Platz lag die PR7 schon mal ganz gut im Rennen.

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Ergebnisse: WP1

Für die am selben Tag zu fahrende zweite Wertungsprüfung musste das Roadbook erneut vorbereitet und ein Kompasskurs eingerichtet werden. Das Fahrwerk war zeitweise zu weich, so dass auch hier die Einstellung angepasst wurde. Und schon ging es per Massenstart auf die nächste Etappe mit einer Gesamtlänge von gut 80 Kilometern.

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Nachdem ich immer besser mit der PR7 zurechtkam - wir waren ja noch in der Kennenlernphase - war es am Ende ein guter siebter Platz. Die Navigation funktionierte problemlos und bezüglich des Tempos war noch Luft nach oben, auch wenn schon Spitzengeschwindigkeiten von gut 150km/h und mehr erreicht wurden. Besonders die leistungsstarke BMW HP2 machte auf den schnellen Geraden ordentlich Meter. Vorsicht war bei den im Roadbook angegebenen Geschwindigkeitsreduzierungen geboten, da man sich schnell mal ein paar Minuten Strafzeit einhandelte - das Geotraq-Trackingsystem überwachte alles.

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Ergebnisse: WP2

Am nächsten Tag sollte um sechs Uhr gestartete werden. Doch durch den unplanmäßigen Betrieb im Tagebau musst die WP 3 gecancelt werden. Für den Veranstalter blieb nur die Möglichkeit auf die gestrige Etappe auszuweichen und diese auf knapp 150 Kilometer zu verlängern. Der Start erfolgte durch die Umorganisation gut zwei Stunden später und wieder ging es per Massenstart in den Wettbewerb. Dieses Mal kam ich als siebter aus dem Starterfeld, um dann in den ersten 65 Kilometern bis auf die vorderen Ränge vorzufahren.

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Im schlammigen Teil kostete das mit der PR7 natürlich ordentlich Kraft, da die 165 Kilogramm den Fahrer forderten. Viel mehr Respekt verdienen sich aber die "echten Männer" auf ihren weit über 180 Kilogramm schweren Zweizylindner-Reisenenduros vom Schlage einer KTM Adventure, BMW HP2 oder Honda Transalp 600. Die AJP machte ihre Sache richtig gut und das Gefühl für dieses neue Motorrad und der Fahrspaß sorgten für einen Höhenflug, der zu einem ungewollten Fahrfehler mit Folgen führte. Da es sich bei der Gesamtstrecke um einen Rundkurs handelt wurden fünf Runden angesetzt. Da mir hierbei aber ein Fehler unterlief, fuhr ich deren sechs und wurde natürlich durch meine Gesamtzeit bis auf den 18. Platz nach hinten durchgereicht. Das bedeutet zwar Testkilometer auf der AJP, aber die gute Platzierung war erstmals dahin und Janiko Naber konnte die WP3 vor Rallye-Routinier Juen Beat aus Österreich und dem Italiener Christian Pastori auf seiner seltenen Redmoto-Honda gewinnen.

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Der Rallye-Routinier Juan Beat im Tiefflug...

Ergebnisse: WP3

Am Folgetag ging es mit ordentlich Wut im Bauch auf die Strecke. Gestartet wurde dieses mal bei leichter Dämmerung in Sechser-Reihen, was mir auf Grund des Ergebnisses vom Vortag die dritte Startreihe einbrachte. Sogar zwei sehr schnelle Quads waren vor mir, was wieder einiges an Überholarbeit bedeutete.

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Gleich nach dem Start ließ ich mich wie so viele andere Mitstreiter durch eine Angabe im Roadbook zu einer Fehlentscheidung verleiten, die mich 10 Minuten kostete. Zurück auf dem Kurs stieg die Wut auf Höchstlevel, so dass die PR7 so richtig ans Limit gebracht wurde.

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Bis zu 150km/h waren auf den Geraden keine Seltenheit...

Nach gut 90 Kilometern hatte ich mich an die Spitzenfahrer heran gekämpft. Die zwei angegebenen Kompass-Kurse stellten dabei kein wirkliches Problem dar. Allerdings hatte sich die Strecke in einem lehmigen Abschnitt in eine echte Enduro-Prüfung verwandelt, was zu fast ein Meter tiefen Spurrillen führte – hier war Schwerstarbeit angesagt. Für einige Teilnehmer bedeutete das das vorzeitige Ausscheiden aus dem Wettbewerb. Daran war nach dem Fauxpas vom Vortag nicht zu denken, so dass ich alles aus der AJP herausholte was fahrerisch möglich war, auch wenn das Fahrwerk durch die Mehrbelastung des Schlammes an seine Grenzen kam. Nach knapp drei Stunden konnte die PR7 mit einem zweiten Platz zeigen, dass sie mehr kann, als man eigentlich augenscheinlich vermutet.

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Nach getaner Arbeit...

Ergebnisse: WP4

Im Endergebnis reichte es dann immerhin noch für Gesamtrang acht, was mit der Rallye-Premiere der AJP PR7 ein zufriedenstellendes Ergebnis darstellt. Zudem muss man festhalten, dass es keinen technischen Defekt oder sonstige Probleme seitens des Motorrads nach über 400 Offroad-Kilometern gab.

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Gezeichnet, aber zufrieden...

Der Drittplatzierte Edwin Straver folgt nun seinem großen Traum und startet in den nächsten Wochen bei der Dakar-Rallye in Südamerika.

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Gesamtergebnis: Einzylinder

1. Janiko Naber, Husqvarna 450
2. Juen Beat (AUT), KTM 500
3. Edwin Straver (NLD), KTM 450
4. Jonathan Velema (NLD), KTM 500
5. Dirk Schatorie (NLD)
6. Vasilis Boudros (GRC), KTM
7. Frank Model, GasGas 2T
8. Sascha Christof, AJP PR7
9. Sven Heywinkel, BMW G450X
10. Faber Guido, KTM

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Gerd Kropf war auf den Gerade dank über 100 PS verdammt schnell...

Gesamtergebnis: Zweizylinder über 180kg

1. Gerd Kropf, BMW HP2
2. Robert Imhof, KTM Adventure
3. Erik Heine, KTM LC8 Adventure
4. Udo Schneider, BMW HP2
5. Stefan Reith, Honda Transalp
6. Andy HOfmann, KTM Adventure
7. Jan Wegener, BMW HP2
8. Alexander Duschek, KTM Adventure
9. Manuel Schad, BMW R100
10. Volker Will, KTM Adventure

Durch die Vielzahl der Teilnehmer, war das Fahrerfeld extrem gemischt. Von der bereits erwähnten Zweizylinder-Klasse bis hin zu den Quads war alles vertreten: Suszuki DR 350, Yamaha TT-600 bis hin zu einem MZ 250 Zweitakt-Eigenbau. Aber auch hochwertig aufgebaute Rallye-Bikes waren mit von der Partie, so dass für den Besucher alles dabei war.

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Der schnelle Italiener Christian Pastori auf seiner Redmoto mit Pech in der WP4...

Besonders interessant war der Umstand, dass man nach der Etappe die Vierrad-Fraktion in Action ansehen konnte, was normalerweise bei einem klassischen Rallye-Ablauf für die Teilnehmer aus Zeitgründen nicht möglich ist. Besonders beeindruckend waren die  hochgerüsteten V8-Boliden und natürlich die ehemaligen Werks-Trucks von Kamaz und Tatra, die mit richtig Speed unterwegs waren, was ebenso für die extrem schnellen Side-By-Sides galt - ein Live-Timing inklusive Tracking gab es natürlich auch.

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Etappenziel WP4: Fünf Meter nach der Zeitnahme war der Tank leer...das war knapp!

Wer den Traum einer Rallye-Teilnehme mit geringem finanziellen Aufwand angehen möchte, sollte sich mit der Baja-Deutschland näher beschäftigen. Eine Überschaubare Anfahrt, ein attraktives Nenngeld, etwas Navigations-Equipment und schon kann's losgehen.

Weiteren Infos und die Regularien: www.baja-deutschland.de

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Die AJP PR7 aus Portugal hält was sie verspricht und gab eine fehlerfreie Rallye-Vorstellung ab...

Teilnahmegebühr
360 Euro inklusive Motorsport-Haftpflicht-Versicherung, Roadbook in Rollenform, 24-Stunden-Betreuung, Tracking-System, Zeitnahme, Bergung aus dem Gelände und medizinischer Service.

Vorraussetzungen
• Enduro oder Rallyemaschine
• Roadbook, Tripmaster, GPS/Handy
• 60 Kilometer Reichweite (Tankstopps sind möglich)
• Empfehlenswert ist die Verwendung von Mousse
• Nachtetappe: Ausreichende Beleuchtung

Anforderungen an den Fahrer
• Kondition und Ausdauer für Tagesetappen bis zu 250 Kilometern oder 6 Stunden Fahrzeit
• Durchschnittliches Fahrkönnen auf unterschiedlichem Untergrund
• Kenntnisse in der Navigation und Umgang mit Roadbook, Tripmaster und GPS/Handy
• Wartungs- und Servicearbeiten sollten selbstständig durchgeführt werden können

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Jeder Teilnehmer kann sich unter folgender Adresse seine eigenen Action-Bilder von der 10. Baja Deutschland 2017 bestellen:www.offroad-forum.de, Rubrik "Baja-Deutschland"

Weitere Impressionen....

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Fahrerbesprechung: Ein Muss, da Roadbook-Änderungen und Sicherheitshinweise bekannt gegeben werden...

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Die Quads waren teilweise verdammt schnell...

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Mit Tempo durch die Dämmerung hat auch seinen Reiz...

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Ausfälle waren keine Seltenheit...vor allem während der WP4!

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Reifenwechsel gehört ebenso dazu wie die Kontrolle des Luftfilters...

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Bei den LKW's sind rohe Kräfte am Werk...

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